Rezension
von Sabine Ibing
Der Ickabog
von J.K. Rowling
Im Königreich Schlaraffien hält sich die Legende vom bösen Ungeheuer Ickabog, das Kinder frisst, die nicht brav sind.
«Es war einmal ein kleines Land, das hieß Schlaraffien, und wurde seit Jahrhunderten von einer langen Reihe von Königen mit blondem Haar regiert ...», beginnt das Märchen. Mythen, Legenden und Zauberkunst. Nein, nicht eine potterähnliche Geschichte, ein Märchen. Die Legende vom Ickabog, erzählt man Kindern, damit sie keinen Blödsinn machen. Schlaraffien ist ein wundervolles Land, in dem es allen Einwohnern sehr gut geht. Das Land wird regiert von einem selbstverliebten Tölpel, einem sehr naiven König, Fred, der sich der Furchtlose nennt, ein Modenarr, der täglich neue Kleidung trägt. Dazu muss sich seine Näherin zu Tode schuften. Der mutige Fred, mit einem unglaublich schneidigen Schnurrbart, hatte Tapferkeit gezeigt, indem er «einmal eine Wespe gefangen und totgeschlagen hatte – und das ganz alleine, wenn man die fünf Diener und den Stiefelknecht nicht mitzählte». Natürlich gibt es keinen Ickabog! Doch halt, warum nicht, sagen sich die zwei Berater des Königs, zwei raffinierte Schleimer. Zunächst einmal müssen sie eine eigene Tat vertuschen und dabei geht ihnen auf, wie sie mit der Angst vor dem Ickabog ein riesiges Geschäft machen können, den König völlig unter Kontrolle bekommen.
Gibt es einen Ickabog oder nicht?
Ab sofort war es Verrat, Entscheidungen des Königs infrage zu stellen, die Existenz des Ickabog und die Notwendigkeit der Ickabog-Steuer anzuzweifeln. Darüber hinaus war eine Belohnung von zehn Dukaten im Monat dafür ausgesetzt, jemanden anzuzeigen, der behauptete, es gäbe keinen Ickabog.
Das Volk spaltet sich in zwei Lager, die Königstreuen und die Kritiker. Lord Spuckelwert und Lord Schlabberlot, des Königs Berater, sperren nun Kritiker ein, die versuchen, ihnen auf die Schliche kommen, ihnen im Weg stehen und setzen das ganze Land in Angst und Schrecken, eine fette Ickabog-Steuer stürzt die Menschen in Armut. Ein paar Jahre später sind einige Menschen verschollen, Kinderheime quillen über, das Königreich ist heruntergewirtschaftet. …! Doch vier Kinder wollen das Geheimnis um den Ickabog ergründen – vielleicht ist er gar nicht so böse …
Die Geschichte ist von viel Humor durchzogen
Es geht um Wahrheiten und um Machtmissbrauch. J.K. Rowling zeigt, wie man mit einer Lüge Menschen verängstigt und ein totalitäres Regimes aufbaut, das mit Einschüchterung und Willkür arbeitet, mit Verleumdung und Denunziantentum agiert, Hochverratsprozesse inszeniert, und wie sich wenige Mächtige bereichern: ein totalitärer Staat. Rowlings bedient sich der Märchensprache und ist eine wundervolle Wort- und Namenerfinderin, die Geschichte ist von viel Humor durchzogen und mit Sprachwitz. In einem Märchen geht es zwischendurch natürlich auch mal recht raubeinig zu. Die Figuren – selbst wenn sie ihre Meinung wechseln – sind eindeutig gut oder böse, wie es sich für ein Kinderbuch gehört. Sprachlich hat mich das Buch begeistert und auch inhaltlich hat es einiges zu bieten. J.K. Rowling hat dies Märchen für ihre Kinder geschrieben, bevor Harry Potter veröffentlicht wurde. Das Manuskript lag auf ihrem Dachboden. Während des Logdowns im Frühjahr hat sie sich daran erinnert und es online veröffentlicht, die Kinder gebeten, Bilder dazu zu malen. In jeder Ausgabe befinden sich nun je nach Land die Bilder der Gewinner*innen des Malwettbewerbs als Illustrationen. Mir hat das Buch gefallen. Die Altersempfehlung vom Carlsen Verlag liegt bei ab 8 Jahren. Ich finde es in Ordnung. Aber wem Grimms Märchen zu gruselig sind, der sollte noch ein oder zwei Jahre warten.
J.K. Rowling ist die Autorin der sieben Harry-Potter-Romane, die zwischen 1997 und 2007 erschienen sind und seitdem über 500 Millionen Mal verkauft, in über 80 Sprachen übersetzt und verfilmt wurden. Sie lebt mit ihrer Familie in Schottland. Der Ickabog, J.K. Rowlings erstes Kinderbuch seit Harry Potter, wurde zunächst online veröffentlicht, um Familien während des Lockdowns 2020 Abwechslung zu bieten und sie zu eigener Kreativität anzuregen. Es ist farbig illustriert mit den Werken der jungen Gewinner des Ickabog-Malwettbewerbs.
Gebunden, 352 Seiten
Carlsen, 2020
Altersempfehlung: ab 8 Jahren
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