Direkt zum Hauptbereich

Das zarte Bellen langer Nächte von Ilinca Florian - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Das zarte Bellen langer Nächte 


von Ilinca Florian


Der erste Satz: Hannah steht auf dem Gehweg vor dem S-Bahnhof Spandau und umklammert ihren Kaffeebecher.

Wenn ich über Cover rede, sind sie einmalig gut! Positiv auffällig, haptisch ein Erlebnis, unterscheidbar von allen anderen, ein Kunstwerk! Eine Autorin, die mit ihrem ersten Roman sehr positiv aufgefallen war – meine Erwartung an dieses Buch war hochgesteckt. Eine Geschichte, die anfangs packt, Lust auf mehr macht, doch Seite für Seite abflacht, langweilig wird und am Ende frage ich mich als Leser, was hier die Message war. Hannah zappt belanglos durch ihr Leben und die Autorin zappt von Baustelle zu Baustelle, ziemlich klischeehaft, obendrein recht trocken, distanziert, nicht Skurriles vorhanden, Berliner Dialekt ohne Charme und Humor. Vielleicht war das die Message: Nichts los hier, außer Rave. Hannah, fast 30 Jahre alt, hat ihr Soziologiestudium abgeschlossen und sucht theoretisch nach einem Job. Mit 30 muss ja man ja erwachsen sein, eine Zielvorstellung haben. – Und irgendwo muss das Geld herkommen – so steigt der Roman bei einem Zeitarbeiter-Job in der Retourenabteilung des Online-Händlers Zalando ein. Das klang vielversprechend. Die Protagonistin schnüffelt sich durch die Rücksendungen, sucht nach Flecken und Materialfehlern, sortiert nach: Ware zum Wegschmeißen (das meiste), zum Spenden (wenig), Second Hand (minimal), Wiederverkauf (kommt selten vor). Wer jetzt glaubt, hier folgt ein Buch über Arbeitsbedingungen in Zeitarbeit und / oder Onlinehändlern – zu früh gefreut. Der Job macht der Berlinerin keinen Spaß und sie geht nicht mehr hin.

Verantwortung abgegeben 

Das Argument, dass er endlos viel Freizeit habe und sie kaum, weshalb er die Besorgung ihr zuliebe doch vielleicht tätigen könne, lässt ihn kalt und bewirkt höchstens, dass er mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck den Ram wechselt. ‹Ich habe keine Freizeit, ich habe Zeit, die ich für mich und meine Musik brauche.›

Hannahs Freund Moritz ist Musiker, Mitglied einer Band – er lebt mit sich und seiner Musik, mehr Raum gibt seine Welt nicht her. Aber er wollte schon immer einen Hund haben. Den findet er natürlich auch, entscheidet, ohne Hannah zu fragen: sein Hund, für den er sorgen wird. Es ist völlig klar, wer den Hund nun ausführen wird, sich um sein Futter kümmert, wer zu Hause bleibt, wenn beide ausgehen wollen, denn der Hund dreht völlig durch, wenn er alleine ist. Und wer ihn an der Backe hat, wenn Moritz auf Tournee geht.

Die beiden werden nie wieder über das Für und Wider dieser Anschaffung sprechen. Sie sind in das Tier verliebt und haben sich schnell der alles bestimmenden Aufgabe verschrieben, gute Hundeeltern zu sein. Zumindest auf Hannah trifft das zu.

Hannah bekommt wieder über die Zeitarbeit einen Job, in der Food-Abteilung des KaDeWe, backt nun Crêpes. Klar, auch das ist zu blöd, aber muss. Gut, dass eine Freundin gerade eine kleine Bar aufmacht, illegal. Ein Job als Barkeeper ist drin. Und so dümpelt Hannah ihr Leben weiter ziellos dahin, lässt alles mit sich geschehen, hier ein Job und da, durchzechte Ravenächte, vollgepumpt mit Alkohol und Drogen, am Ende Sex, der hinterher bereut wird. «Was kommt nach dem Rave?» Hier kreist jeder um sich selbst, mal weniger und mal mehr erfolgreich. Hannahs Handlungen werden immer unglaubwürdiger. Das Buch steckt voller Stereotypen und Klischees, was mich als Leser abschreckt, noch mehr, weil die Protagonistin lediglich getrieben ist, völlig unreflektiert, der innere Monolog fehlt – oder die Perspektive von außen. Es passiert dies und das, eins belangloser als das andere. Auf der einen Seite sorgt Hannah sich um die Zukunft und ihre Beziehung, auf der anderen Seite ist sie planlos, angepasst, extrem oberflächlich und dumm. Und somit wird die Protagonistin als fast 30-jährige mit Universitätsabschluss zur unglaubwürdigen Figur. Es gibt den ein oder anderen guten Satz, aber das reist das Buch nicht heraus aus der Belanglosigkeit.


Ilinca Florian 
Das zarte Bellen langer Nächte
Roman
160 Seiten, gebunden, fadengeheftet, 12 x 20 cm
Karl Rauch Verlag

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Killer Potential von Hannah Deitch

  Als Evie Gordon an einem Tag bei den Victors klingeln will, steht die Tür offen. Sie ruft, niemand antwortet. Dann findet sie Mr Victor tot im Pool schwimmend, Mrs Victor liegt mit zermatschtem Schädel tot im Wohnzimmer. Das alles muss gerade passiert sein, Evie hat Angst, will das Haus verlassen, als sie leise Hilferufe hört. In einer Kammer unter der Treppe findet sie eine gefesselte Frau. Sie befreit sie. In dem Moment kommt die Tochter nach Hause, schreit entsetzt der Szenerie, geht auf Evie los, die in ihrer Not dem Mädchen eine Lampe über den Kopf zieht. In Panik verschwindet Evie mit der Unbekannten – ein Roadmovie beginnt. Der Roman konnte mich leider nicht überzeugen. Weiter zur Rezension:   Killer Potential von Hannah Deitch

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Waldpilze sind einfach zum Verlieben! Und welche sich zum Essen eignen, erfahren wir in diesem Buch – einschließlich mit Rezepten. Pflücken, zubereiten, konservieren. Flexitarier, Vegetarier und Veganer lieben sie als hochwertigen Fleischersatz. Die Pilzexperten Gerhard Schuster und Christine Schneider zeigen, welche Pilze man wie zubereitet, damit sie zum Hochgenuss werden. Nebenbei räumen sie auch mit alten Mythen auf. Unter den mehr als 50 Rezeptideen gibt es neben den bewährten Klassikern auch echte Pilzküchen-Überraschungen zu entdecken. Weiter zur Rezension:    Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Rezension - Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis

  (Detektivbüro LasseMaja, Bd. 37)  Es gibt hochfliegende Pläne im Ort Valleby: Ein Astronaut macht mit seiner Raumkapsel in der Kleinstadt Station und will als Nächstes den Planeten Neptun ansteuern. Und laut tönt er, er suche Astronaut:innen, die ihn begleiten. Bewerber will er einem Astronauten-Test unterziehen, danach bestimmt er, wer mitfliegen darf! Natürlich benötigt er auch Spenden für sein Projekt. Die Detektiv:innen Lasse und Maja hören genau zu. Und bei dem, was der Mann so erzählt, kommt schnell der Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul ist und der Typ ein Betrüger ist. Das teilen sie dem Dorfpolizisten mit – doch der hat gerade keine Zeit für sie. Ein Dieb geht um … Spannender, witziger Kinderkrimi ab 8 Jahren, Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis 

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt