Rezension
von Sabine Ibing
Die Käsis
von Heinz Strunk
Im Käsiland herrscht ein strenges Kastensystem: Sowohl die hochertigen Edelkäse als auch die billigen Haushaltskäse müssen unter ihresgleichen bleibe.
Die edle Trüffel-Parmesan-Dame Käselinchen und der industrielle Scheibenkäse namens Käs verlieben sich beim großen Käsefest. Der Käs «hat wohl nicht mehr alle Käseletten am Zaun»! Was bildet der sich ein, mit Käselinchen anzubändeln? Die gehört in die höhere Kaste, und das ist nicht erlaubt! Gleich wird er abgeführt und ins Schmorgericht vor den autokratischen Richter Schimmelkäse «Beef Jezos» geführt, und der verurteilt ihn zu 200 Jahren Majo-Neese-Knast. Käselinchen bekommt Hilfe von ihrem Lieblingsonkel, und gemeinsam befreien sie den Käs. Als Fluchtfahrzeug steht die Eierscheese bereit, die gern Geschichten erzählt. Sogleich sind ihnen die Käsestick-Schergen von Beef Jezos auf den Fersen.
Während die Scheese repariert wird, stärken sich die Käsis im Happi Happi Schnellimbiss. Die Gäste im benachbarten Romantic Cafe Olé sind eins alt Frau und ein Eunuch essen einen Käsekuch, und am Nebentisch sitzt ein Spesenritter, der Tantiementorte verspeist.
Die beiden schaffen es, aus Käsiland zu fliehen und landen im Nussreich Macadamia. Auf dem Discoschloss Head Nut wird gerade eine wilde Party gefeiert – doch dann greifen die Käsestick-Schergen an. Wieder schafft es das Paar, über die Eselsbrücke zu entkommen. Der Weg führt sie durch die Wüste Gaby. Eine kurze Pause wird eingelegt, um die Scheese zu reparieren, die ein wenig schlapp macht. Zwischendurch erzählt die Eierscheese Geschichten, und wir erfahren etwas über Serienmörder – einer der Käsesticks gehört nämlich in die Kategorie. Ein fantasievolles Roadmovie, ein wilder Tripp, eine Verfolgungsjagd – für mich allerdings ohne Tiefe. Das Paar reist von Ort zu Ort, trifft auf diverse Charaktere, die Käsesticks an den Hacken, die Eierscheese streut weitere Geschichten ein. Am Ende erhält unser Paar auf einer Insel eine Flaschenpost: «Beef Jezos hat die Revolte durchgezogen.» Und der will nun den Weltraum erobern. Die Schimmelkäse haben in Käsiland die Macht an sich gerissen, unterdrücken das Volk. Flugs bauen sich Käselinchen und Käs einen Heißluftballon und fliegen zurück. Die beiden, die sich nicht mal gegen vier Käsesticks wehren können, schaffen es, alle Bösewichte in eine Rakete zu locken und ins All zu schießen. Das Land ist befreit.
Schräg und witzig, ja. Gleichzeitig fand ich das Buch fad, denn auch die Worterfindungen waren für mich nicht der Kracher, vielleicht das ein oder andere. Ein Auto Scheese zu nennen, ja, so nennt man ein altes Auto im Volksmund; Herr Gries und Frau Gram; und aus dem Elektroautomann «Beef Jezos» zu machen, die Protagonisten Käselinchen und Käs zu nennen, die Happi Happi machen … nicht wirklich eine fantasievolle Leistung. Sieben Jahre hat Strunk an dem Buch gefeilt und Wörter gesammelt: «Fürst Alzheim oder Beef Jezos oder das popelnde Orakel – das fällt einem ja auch nicht an einem Nachmittag so zu», so der Autor. Na ja, da sind andere Kinderautor:innen schneller und fantasievoller. Strunk selbst sagte zu seinem Buch: «Es ist ja so, dass die meisten Kinderbücher an einer sehr einfachen, um nicht zu sagen, debilen, Sprache kranken. … Das geht das dann so: Tina freut sich schon, gleich kommt Papi nach Hause. Ich finde, das ist auch eine Unterforderung für die Kinder. Wie mir verschiedene Eltern gesagt haben, ist es eine unglaublich langweilige Zumutung, solche Texte vorlesen zu müssen.» Klar, solche Kinderbücher gibt es. Heftchenliteratur gibt es auch für Erwachsene. Aber mal ganz ehrlich lieber Heinz, ich lese deine Bücher wirklich sehr, sehr gern (alle gelesen ab «Fleisch ist mein Gemüse»), frage mich aber gerade: Was liest du für Kinderbücher? Es gibt Kinderbuchautoren, die literarisch dir lässig das Wasser reichen, schriftstellerisch eindeutig besser sind. Man muss eben die richtigen Bücher lesen. Literarisch ist dieses Buch für Kinder eine Unterforderung und inhaltlich eine Überforderung. Es gibt ein paar witzige Andeutungen, Gesellschaftskritik, guten Humor – den aber nur ein Erwachsener kapiert, wie z. B. die Hakenkreuzfahne der Bösen, die durch ein gekreuztes Besteck in der Mitte angedeutet wird. Oder eine Geschichte, erzählt von der Scheese, in der ein Hüttenkäse mit seiner Familie als lebende Schachfiguren für den Scheich in Brunei zu miesen Arbeitsbedingungen arbeiten muss. Und ob die blutige Beschreibung von Serienmördern etwas für Neunjährige ist, mag ich bezweifeln. Die Romeo-Julia-Geschichte ist auch keine neue Erfindung, auch nicht die Verfolgungsjagd. Und dann wird es auch noch sexistisch, ich sage nur Möpse! Hier fällt ein Klischee nach dem anderen; die Charaktere sind leblos, haben überhaupt keine Möglichkeit sich zu zeigen, da sie lediglich reisen, um andere Charaktere zu treffen – zack und weiter geht es. Gut und Böse ist klischeehaft angelegt und gradlinig verteilt, Grautöne gibt es hier nicht. Letztendlich ist dies Roadmovie lediglich der rote Faden für viele kleine Einzelgeschichten. Inhaltlich ist das für mich ein Buch für Erwachsene. Die Illustrationen von Vents137 und Typeholics sind schrill, bunt, im Comicstil, witzig arrangiert. Die kleinen Bilder gefallen mir ausgesprochen gut, die zweiseitigen sind mir meist zu überladen an Inhalt und Farbe. Der Carlsen Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 9 Jahren. Das verwundert mich. Von mir: eindeutig Erwachsenenliteratur bzw. für Jugendliche ab 15 / 16 Jahren.
Heinz Strunk ist Schriftsteller, Musiker, Schauspieler und ein Meister der Satire. Als Autor und Darsteller gibt er im Wandkalender „Maximize your life 2024!“ Tipps für ein erfolgreiches Leben und mit «Die Käsis» ist beim Lappan Verlag sein erstes farbig illustriertes Buch erschienen.
vents137 ist das Pseudonym eines Graffitikünstlers und Illustratoren aus Großbritannien. Sein charakteristischer Stil, seine Farben und Figuren sind geprägt von der psychedelischen Formensprache der 70er Jahre. Gegenstände werden zu Lebewesen, Dinge bekommen eine Seele und auf seinen Bildern gibt es jede Menge zu entdecken. Egal ob mit Sprühdose oder Marker gefertigt, seine immer analog gezeichneten Bilder sind voller großartiger Details.
Typeholics ist ein Designstudio mit Sitz in St. Pauli und in den unterschiedlichsten Disziplinen der Popkultur zu Hause. Typeholics verschönert Hauswände, Getränkeetiketten, Plattencover, macht Filmplakate und arbeitet mit Künstlern wie Fatih Akin, Jan Delay, die Ärzte, Rocko Schamoni und Heinz Strunk zusammen. Felix Schlüter, Gründer der Agentur, 1973 in Hamburg geboren, suchte nach einem besonderen Stil für die Käsis und konnte seinen Freund vents137 für das Projekt gewinnen. Zusammen mit ihm entwickelte er die Illustrationen der Käsis und gab dem Buch seine unverwechselbare Formsprache. Inspiriert hat beide dabei das Werk des großen Richard Scarry (1919-1994).
Die Käsis
Illustriert von vents137 und Typeholics
Satire, Jugendbuch, Kinderbuch, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover, 80 Seiten, 223 mm x 300 mm
Carlsen Verlag, 2023
Altersempfehlung: ab 9 Jahren (Verlag), ab 15 Jahren von mir
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