Rezension
Sabine Ibing
Der Schotte
von M.P. Roberts
Ich bin verliebt in dieses Land und es tut mir weh zu sehen, wie ihr hier einfallt und alles zu eurem Besitz erklärt. Meine Mutter …« Sie begann zu schluchzen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, die ihr kurz darauf über die Wangen liefen. John beugte sich über die Theke und wischte ihr eine weitere Träne aus dem Gesicht.
Der Schotte – ein Thriller, man denkt an Schottland ... gut, auch ein wenig Schottland kommt vor. Aber der Großteil der Geschichte spielt in Irland – Das Thema ist der irische Unabhängigkeitskrieg. Der Titel ist irritierend, er könnte in diesem Fall auch der Grieche heißen. John McConley kommt nach Irland, da seine Eltern mit dem Flugzeug abstürzten, er die Erbangelegenheit klären muss. Er ist nicht besonders traurig, denn die Eltern hat er ewig nicht gesehen, er war in Internaten und an Universitäten aufgewachsen. John betritt eine Kneipe und wird sofort von der Bedienung vereinnahmt, nun über die Geschichte Irlands aufgeklärt. Am E-Book sind es sechs Prozent. Ich war verwirrt, war ich in einen Roman über die irische Geschichte seit Erstbesiedlung gelangt? Ich dachte, es sei ein Thriller. Dieses Mädchen weint sehr viel. Nach ihrem Vortrag nimmt sie John mit zu sich nach Hause und geht mit ihm ins Bett. Weint auch da immer wieder. – Sämtliche Frauen in diesem Buch heulen ständig! Das ist mir echt auf die Nerven gegangen! Frauen heulen den ganzen Tag. Was ist das für ein Frauenverständnis seitens des Autors? Ein merkwürdiger Einstieg.
John McConley sieht Eve nie wieder, bis zu dem Tag, 1993, als er in seiner einsamen Hütte in Irland ein paar Tage ausspannen will. Eve tritt urplötzlich ein und will John etwas erklären. Dazu kommt sie nicht mehr, denn ein Wagen fährt vor, Männer steigen aus, fangen mit MP’s an zu schießen. Die beiden versuchen zu fliehen, John wird angeschossen und Eve bekommt mehrere Schüsse ab, sie ist tot. Warum hat man John am Leben gelassen? Damit er die Täter beschreiben kann und die Polizei sofort weiß, dass der eine ein gefährlicher Killer der IRA ist. Das zweite Mal, dass ich stutze, ebenso, weil John der Polizei nicht traut, sich aber sofort einem freundlichen Taxifahrer anvertraut, ihm seine Lebensgeschichte erzählt. Klar, der Mann weicht ihm in diesem Roman nicht mehr von der Seite. Der ist auch von der IRA.
Ein Stand-alone-Thriller. Klar, der Held kommt noch ein paar mal in Gefahr, aber nicht ernsthaft. Er recherchiert, will den Tod von Eva aufklären, die als Journalistin arbeitete. John werden ein paar Stöckchen in den Weg gelegt, aber im Großen und Ganzen arbeitet er sich ungehindert ans Ziel, die Bösen sind am Ende besiegt. Im Countdown lauert keine Gefahr, John hat alles im Griff, die Bösen grinsen besoffen, bis es sie nicht mehr gibt. Das ist der erste Thriller, bei dem ich hin und wieder beim Lesen eingenickt bin; nicht mal das Ende besitzt Power.
John war mit drei Schritten bei ihr und legte seine Arme um ihre Schultern. Sie lehnte ihren Kopf zurück und begann zu weinen. ›Was ist los, Liebes?‹, flüsterte John und berührte zärtlich ihre Stirn mit seinen Lippen. ›Es ist …‹ Sie löste sich von ihm und stand kerzengerade vor ihm. ›Es ist nichts. Gar nichts, John.
In diesem Roman stimmt vieles nicht. Beginnen wir mit 6 % Geschichtsunterricht am Anfang. Ich war geneigt, abzubrechen. Der Irlandkonflikt ist eine interessante Sache, keine Frage. Aber doch nicht, wenn in einem Thriller der Autor dem Leser ständig seitenlang Geschichtsunterricht in Vorträgen erteilt. Die Handlung wird ständig gebremst durch ausufernde Dialoge, die zu nichts führen, Nebenbeschreibungen, von Dingen, die der Handlung nicht zweckdienlich sind, Geschichtsunterricht. M.P. Roberts setzt das Mittel Cliffhanger zwischen Kapiteln ein. Aber wieso? Wer in dieser Form schreibt, sollte im Cliff hängen bleiben, und nicht schon am Strand angekommen sein, bei einer Tasse Tee sitzen. Es wird viel erzählt, aber letztendlich nichts gesagt, Informationen eingeschoben, eine Bremse nach der anderen. »… und zog den dicken, dunklen löchrigen Vorhang zu.« Adjektivlastigkeit, unnötige Füllwörter plustern weiter auf, ebenso Hilfsverbkonstruktionen. Letztere führen manchmal im Zusammenspiel mit dem Subjekt zu falschen Ausdrücken, die fast amüsant sind, überhaupt Ausdrucksschwächen gibt es einige, Fachausdrücke werden falsch angewendet, wie »Gerichtsmedizin«. Bis 50 % habe ich ein hin und wieder geblättert, danach jede Menge, hatte überlegt abzubrechen. Irgendwas Großes wird kommen, so dachte ich, aber der Bach plätschert bis zu letzten Seite durch. Schade. Dabei hat die Geschichte vom Kern her Potenzial.
John hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen und verstand endgültig, was hier grade passierte: Sie meinten es ernst. Sie wollten sie tatsächlich töten. Sie spielten mit ihnen Katz und Maus, und John wurde in diesem Augenblick klar, dass jeder Schuss auch ein Treffer hätte sein können, wenn die Killer das gewollt hätten. Sie hatten nie eine Chance gehabt, durch das völlig ebene Gelände den Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter zu gelangen.
Bis der nächste Schuss aus den MP’s kommt, ist dieser Gedanke in verschiedenen Formen fünf mal durchgekaut, der Leser genervt. Frauen heulen in einer Tour und John steht dauernd kurz vor einem Herzinfarkt. Die Perspektive verrutscht ständig. »Die Kugel schlug in ihre linke Brustseite ein und verfehlte, wie die Obduktion später zeigen würde, das Herz nur um Millimeter.« Hin und wieder mischt sich ein Erzähler aus dem Off ein, mitten in die personale Perspektive. Der Leser ist verwirrt: Wer bitte erzählt hier die Geschichte?
Die Frau war nun tot, erschossen von zwei hinterhältigen Killern. Das Leben war einfach nicht fair. Er blickte gen Himmel und ließ einen Schrei los, in den er alles hineinlegte, seinen Schmerz, seinen Verlust, die Wut, die Trauer und die Ohnmacht. Sollten sie ihn ruhig auch erschießen. Es war ihm egal.
Die Charaktere gehen mir als Leser nicht nah. Die Frau, der Mann, Personen ohne Profil, ohne Persönlichkeit und schon gar nicht erkennt man sie an der Sprache. Die Frauen vielleicht am Heulton?
John folgte Rita in die Küche. Auf dem Weg zu ihr hob er gedankenverloren zwei Tassen auf, die unbeschädigt geblieben waren, und stellte sie auf den Tisch. Dann trat er zu Rita und legte ihr eine Hand auf die Schulter. So standen sie am offenen Fenster und blickten hinaus. Geoffrey hatte die Hütte verlassen und stand wenige Augenblicke später neben dem Fenster. John und Rita taten es ihm gleich und gingen ebenfalls hinaus. Ein leichter Wind zog über den See zu ihnen und brachte den Geruch von Fischen und Pflanzen mit sich.

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