Direkt zum Hauptbereich

Der Regenbogenfisch glaubt nicht alles von Marcus Pfister - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Der Regenbogenfisch glaubt nicht alles 


von Marcus Pfister 


Im Schwarm des Regenbogenfischs lebt auch Humbrecht. Dieser nerdige Fisch bringt Unruhe in die Gemeinschaft, weil er merkwürdige Geschichten erzählt, die den Fischen Angst machen. Er behauptet, am Meeresgrund befinde sich ein Stöpsel. Nun gäbe es aber einen fiesen Unbekannten, der den Stöpsel ziehen wolle, um das Meerwasser zu fluten. Dann würden alle Fische auf dem Trockenen liegen! So ein Quatsch!, meint der Regenbogenfisch. 





Der Regenbogenfisch stellt Humbrecht zur Rede, denn die anderen Fische sind verunsichert – vielleicht ist was dran an der Geschichte. Man weiß ja nie! Humbrecht möge ihm persönlich diese Geschichte nochmal erzählen. Doch der Lügner behauptet, nie eine solche Geschichte erzählt zu haben. Doch er hat gleich die nächste Räuberpistole parat, die die Fische erzittern lässt ...  Lügengeschichten dieser Art können Angst machen und zu Streit führen. 



Nachdem unser Lügner so viel Seemannsgarn verbreitet hat, schwimmen die Fische einen großen Bogen um ihn herum. Vereinsamt und traurig kommt dem Armen der Regenbogenfisch mit einer Idee zur Hilfe. Das Talent, schillernde Geschichten zu erzählen, kann doch ganz anders genutzt werden! So wird Humbrecht zum Geschichtenerzähler, der in gemütlichen Märchenstunden den ganzen Schwarm unterhält.



Den Regenbogenfisch kennt ja wohl jeder! Dieses Jahr wird er 30 Jahre alt. Die Illustration wie gehabt. Aquarelle, ein paar schillernde Schuppen blinken uns entgegen. Auf der einen Seite fand ich es gut, das Thema Fake-News anzusprechen, zu erklären, nicht alles zu glauben. Klar es gibt notorische Lügner. Sie werden in der Psychologie als Pseudologen bezeichnet, Menschen mit gestörtem Selbstwertgefühl – die eine sehr kreative Ader besitzen. In der Regel aber tritt dieses Verhalten parallel mit einer Persönlichkeitsstörung auf, und innerhalb dieser Lügengeschichten steht der Erzähler im Mittelpunkt (er hätte eine unheilbare Krankheit – war mittendrin in einem schrecklichen Ereignis, das gerade durch die Presse ging, ist Freund vom Bundeskanzler ...). Aufmerksamkeit erhalten; später weiß er nicht mehr, was er erzählt hat. Humbrecht erzählt etwas von Bedrohungen für die Fischwelt. Das würde eher in die Gruppe der Verschwörungstheoretiker passen. Und das ist ja eine völlig andere Richtung. Hier wird gezielt Angst erzeugt, um ein Machtverhältnis zu erzeugen – Gruppen die gezielt die Welt verändern wollen. Und hier müssen Kinder lernen, nicht alles zu glauben, zu hinterfragen, zu recherchieren – sich keine Angst machen zu lassen. Allerdings weiß Humbrecht am nächsten Tag nicht mehr, was er erzählt hat. Das hat mich verwirrt, weil es keine Logik ergibt – er ist weder psychisch erkrankt, noch ein Schwurbeler oder Aktivist. Diese Geschichte ist mir zu einfach, das haben andere Kinderbücher zum Thema besser gelöst. Schulen wir einen notorischen Lügner zum Geschichtenerzähler, zum Schriftsteller um ... oh wie schön einfach ist die Welt. Mit diesem Inhalt konnte ich rein gar nichts anfangen, die Geschichte könnte von Humbrecht stammen. Die Kinder werden es nicht merken. Gut – doch es werden falsche Vorstellungen der Realität erweckt.  Ebenso fehlt mir hier der Aufforderungscharakter an die Kinder, aktiv etwas zu hinterfragen. Der Regenbogenfisch löst das Problem mit Umschulung. Aber selbst er geht das Problem nicht an, versucht nicht, zu widerlegen, warum die Stöpselgeschichte nicht stimmen kann. Genau das wäre das Ziel gewesen: Recherchieren, die anderen aufklären, die Lüge bloß legen. Leider für mich: Thema verfehlt. Der Nord Süd Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 4 Jahren. Das passt.


Marcus Pfister wurde in Bern geboren. Nach der Kunstgewerbeschule und einer anschließenden Grafiker-Ausbildung arbeitete er von 1981 bis 1983 in einer Werbeagentur. 1984 machte er sich selbstständig. »Die müde Eule« war Marcus Pfisters erstes Bilderbuch bei NordSüd und erschien 1986. Der Durchbruch als Bilderbuchautor gelang ihm 1992 mit »Der Regenbogenfisch«. Bis heute hat Marcus Pfister über 50 Bücher veröffentlicht, die in rund 50 Sprachen übersetzt und international mehrfach ausgezeichnet wurden. Er lebt mit seiner Frau Debora und seinen Kindern in Bern.



Marcus Pfister 
Der Regenbogenfisch glaubt nicht alles 
Bilderbuch, Kinderbuch, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover mit Glitzerfolie, 32 Seiten
Nord Süd Verlag, 2022
Altersempfehlung: ab 4 Jahren




Zum Thema:

Glaube niemals einem Raben von Brigitte Endres und Michael Mantel 

«ES kommt! ES kommt», krächzten die Raben im Chor. Sie erzählen, ES wird sie alle vernichten ... Fake News – wie man andere manipuliert und einschüchtert, indem man dummes Zeug erzählt, was sie auch noch glauben. Macht über andere erlangen! Aber von vorn: Eines Tages knabberten die Eichhörnchen an leckeren Eicheln, als ein Schwarm Raben sich niederlässt. Die Raben kommen, um sie zu warnen. «ES kommt». Die Tiere sind entsetzt. Alles nicht so schlimm, meinen die Raben, denn sie allein können es verscheuchen. Na so was! Und natürlich verlangen sie ein dickes Schutzgeld, die Liste ist lang ... Eine Fabel, eine Parabel, die mich nicht nur inhaltlich begeistert hat. Das Kinderbuch ist herrlich witzig illustriert. Fake News Medienkompetenz in eine gruslig-lustige ab 4 Jahren verpackt! Abteilung Lieblingsbuch!

Weiter zur Rezension:   Glaube niemals einem Raben von Brigitte Endres und Michael Mantel 


Kinder- und Jugendbücherbücher - Demokratie erklärt

Demokratie, wie funktioniert sie – was ist das? Wer wird gewählt, Wie wird gewählt? Politische Bildung für Kinder und Jugendliche – Wissen einfach erklärt. Ob nun ein Bilderbuch oder ein Sachbuch. Vom Angela Merkel über Ruth Bader Ginsburg bis hin zu Fake-News. Auch etwas zum Thema Demokratieversagen, wie zum Beispiel das Einsperren von Kidern in Guantanamo. 

Weiter zur Seite:  Kinder- und Jugendbücherbücher - Demokratie erklärt


Bilderbücher bis 5 Jahre






Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

  Haya Molcho begibt sich mit ihren Söhnen auf eine italienische Reise von Triest bis nach Sizilien, wobei sie lokale Produzent:innen und Köch:innen besuchen, die über die unterschiedlichsten Facetten der italienischen Kochkunst erzählen und uns ihre liebsten Rezepte verraten. Im zweiten Teil der kulinarischen Reise gibt es italenische Rezepte der Familie, typisch Neni. Levantinische Küche trifft auf italienische Originalrezepte; dabei auch traditionelle italienische Gerichte im Original. Reiseliteratur, Kulinarisches mit vielen Rezepten, Italienische Küche, Levante-Küche – Empfehlung. Weiter zur Rezension:   Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

Rezension - Dunkle Momente von Elisa Hoven

  Spieldauer: 9 Stunden und 11 Minuten gesprochen von Nina Kunzendorf Eva Herbergen ist Strafverteidigerin mit ganzer Seele. Ihre Aufgabe ist es, Menschen vor Strafe zu bewahren; egal, was sie getan haben. Als Strafverteidiger muss man sich an das Recht halten; man darf seinen Klienten keine Tipps geben, wie sie ihre Tat vertuschen könnten oder sie zu Falschaussagen auffordern. Womit kann ein Strafverteidiger am besten leben, fragte ich mal einen Freund, der diesen Job macht. Keinem Klienten glauben, sagte er. Sie lügen dich alle an. Alle. Und die, die nicht lügen, verschweigen eben die Hälfte; und das ist genauso schlimm. Ich glaube, er hat recht. Denn Eva Herbergergeht dem ein oder anderen auf den Leim. Und sie beschreibt ihre Dämonen, die Fälle, die sie gern im tiefsten Keller verstecken möchte. Neun Fälle, Strafverteidigung, Strafrecht, Recht, Gesetz – ein sehr guter Roman. Weiter zur Rezension:    Dunkle Momente von Elisa Hoven 

Rezension - Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

  Wer hat die Superschaf-Unterhose geklaut? Finn ist sauer! Jemand hat seine stinkbesonderen Unterhosen von der Leine gestohlen. Sein Freund Mäc Mief muss den Dieb aufspüren, denkt sich Finn. Das schottische Schaf Mäc Mief liebt nichts mehr, als auf seiner Weide zu stehen und in Ruhe saftiges Gras zu fressen. Aber für seinen Lieblingsmenschen Finn geht die Spürnase auf die Suche. Gemeinsam mit seiner Freundin, Hütehund Bonnie, versuchen sie a la Sherlock Holms und Watson der Unterhosenbande auf die Spur zu kommen.  Weiter zur Rezension:    Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

Rezension - #Erstkontakt von Bruno Duhamel

  Doug, ein ehemaliger Fotograf lebt von der Öffentlichkeit zurückgezogen in den schottischen Highlands. Niemand liked seine Fotos, er ist frustriert, darum hat er seit 17 Monaten nichts veröffentlicht. Doch dann fotografiert er durch Zufall am See vor seiner Haustür ein seltsames Wesen – und teilt den Schnappschuss im sozialen Netzwerk «Twister». Danach geht er duschen, kommt zurück, kann es nicht fassen: «150.237 Personen haben auf ihren Post reagiert; 348.069 mal geteilt». Sofort bereut er seinen Post. Er ahnt, was nun geschehen wird, er hat Büchse die Pandora geöffnet … Ein herrlicher Comic, Graphic Novel, fast ein Cartoon, nimmt mit schwarzem Humor Social Media und Aktivist:innen diverser Gruppen auf die Schippe. Weiter zur Rezension:    #Erstkontakt von Bruno Duhamel

Rezension - Das Alibi von Juan Pablo Villalobos

Juan führt eine gute Ehe mit der «Brasilianerin», es läuft problemlos in bester Eintracht, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, Geldsorgen hat er keine – er fühlt sich pudelwohl in Barcelona. Doch worüber soll der Schriftsteller, der über das Alltägliche schreibt, jetzt bloß schreiben? Wenn man schreibt, benötigt man einen Konflikt. Nur wo soll man den hernehmen, wenn es gar keinen gibt. Doch keine Angst, Konflikte lauern auf der Straße. Eine Parodie auf das Schreiben, eine Satire, die so richtig viel Spaß macht! Autofiktion gekonnt mit viel Humor gesetzt – einfach lesen! Weiter zur Rezension:    Das Alibi von Juan Pablo Villalobos

Rezension - Zipfelmaus und die grandiose Gartenschule von Uwe Becker und Ina Krabbe

  Im Schrebergarten von Frau Bienenstich herrscht helle Aufregung: Maulwurf schlägt vor, dass alle zur Schule gehen sollen, um lesen und schreiben zu lernen. Zipfelmaus wohnt in Frau Bienenstichs Garten in einem Puppenhaus, das im Gartenhäuschen steht. Die Zipfelmaus sitzt sie in ihrem Schaukelstuhl, futtert Haferflocken und Rosinen und lässt sich die Sonne auf das Fell scheinen. Nun will sie den Tieren das Lesen und Schreiben beibringen. Zum Vorlesen ab 6 Jahren, zum selbstlesen ab 2. Klasse. Weiter zur Rezension:    Zipfelmaus und die grandiose Gartenschule von Uwe Becker und Ina Krabbe

Rezension - Mut tut gut von Ulrike Marten-Öchsner und Emma Öchsner

  Habe ich ein Bilderbuch in der Hand, fange ich sogleich an zu blättern, um die Illustrationen aufzusaugen. Der erste Eindruck – denn ein Bilderbuch lebt von seinen Bildern. Und dies hier, ist das Erste seit Jahren, das mich völlig enttäuscht hat. Aber von vorn. Die kleine Maus Anton besucht die Großeltern. Während sie gemeinsam auf der Terrasse sitzen, pustet der Wind die Waldzeitung vom Tisch. Anton springt auf, ist dabei, die Seiten wieder einzufangen, liefert den Zuschauern am Gartenzaun ein belustigendes Schauspiel. Bilderbuch ab 4 Jahren. Weiter zur Rezension:  Mut tut gut von Ulrike Marten-Öchsner und Emma Öchsner 

Rezension - Nacht der Verräter von Horst Eckert

  Polizist Max Bauer fällt aus allen Wolken, als während einer Familienfeier mit Grillen am helllichten Tag seine Frau Julia spurlos verschwindet. Sie sind noch nicht lange verheiratet. Sie machte seit ihrem Kennenlernen ein Geheimnis um ihre Vergangenheit, was er respektiert hatte. Ihre Liebe half ihm aus einer Krise nach einem traumatischen Einsatz, bei dem er schwer verletzt wurde, seine Kollegin und ein Feuerwehrmann getötet wurden. Wo soll er bei seiner Suche nun ansetzen? Er weiß nichts über seine Frau! Doch sie würde nicht grundlos verschwinden und ihre Tochter zurücklassen. Gute Unterhaltung, Action – aber das war es auch schon. Weiter zur Rezension:     Nacht der Verräter von Horst Eckert

Rezension - Captain Nelson - Unter der Flagge des Königs von Mac P. Lorne

  Der erste Teil über das Leben von Lord Nelson, Englands größtem Seehelden. Er gilt bis heute als der ruhmreichste Offizier der Royal Navy: 1784 erhält der junge Captain Horatio Nelson den Auftrag, mit der mit der HMS Boreas das Handelsverbot zwischen den englischen Kolonien in Westindien und den abtrünnigen USA zu überwachen und die Schiffe als Prisen nach England zu schicken. Was er dort sieht, lässt ihn empören. Der britische Gouverneur von Antigua, sein direkter Vorgesetzter, schaut weg, wenn die Amerikaner mit der englischen Kolonie zollfreien Handel treiben. Er selbst hält anscheinend die Hand auf, bietet Nelson an, mitzuverdienen. Die verbotenen Geschäfte sind höchst lukrativ, und die Einheimischen brauchen sie. Ein historischer Roman ohne romantiesierende Szenen, klischeefrei, historisch genau – ein Seefahrer-Abenteuerroman, so macht Geschichte Spaß! Weiter zur Rezension:    Captain Nelson - Unter der Flagge des Königs von Mac P. Lorne