Rezension
von Sabine Ibing
Kriminaltaktik – Von Anzeige bis Zeugenvernehmung
von Dr. Manfred Lukaschewski
Kriminalistik in Theorie und Praxis
Man kann die Kriminaltaktik als die Gesamtheit der Methoden auffassen, die zur Vorbereitung und Durchführung kriminalistischer Maßnahmen dienen. In der Regel sind diese in der Strafprozessordnung vorgegeben und auch definiert.
Ich habe bereits einige Werke von Manfred Lukaschewski gelesen, am interessantesten war das dreibändige Kompendium der Kriminalistik, für Fachpublikum geschrieben. «Morden für Anfänger» und «Morden für Fortgeschrittene», zwei Bücher, die sich sachlich-humorvoll mit der Kriminaltechnik befassen, sind für Krimischreiber und Krimiliebhaber geschrieben - einfach strukturiertes Sachwissen, fernab der Tatort Krimis. Dieses Fachbuch hält wieder den sachlichen Ton und erklärt recht einfach die Grundlagen der Kriminalistik. Anzeigenaufnahme und -prüfung, Ereignisortuntersuchung, Ermittlung von Zeugen und Verdächtigen, Befragung, Vernehmung, Durchsuchung und Beschlagnahme, Festnahme bzw. Verhaftung usw. Wie gestalten sich die Abläufe, was ist erlaubt, was ist nicht (was dürfen nur Tatortkommissare)?
Rechte und Pflichten
Der Erste Angriff umfasst die Gesamtheit aller nach Bekanntwerden von Straftaten oder anderen kriminalistisch relevanten Ereignissen im Anfangsstadium des Untersuchungsprozesses durchzuführenden kriminalistischen Operationen sowie Ermittlungs- und Untersuchungshandlungen. Im Rahmen des gesetzlichen Mandats wird die Kriminalpolizei tätig, ohne Aufträge der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Ihr gesetzlicher Auftrag ist in diesem Rahmen gleich dem der Staatsanwaltschaft.
Das Kapitel über die Aufnahme und Abwicklung von Anzeigen ist recht interessant. Auch die Ausführungen zu freiwilligen Geständnissen. Denn ebenfalls hier muss genau geprüft werden, ob dieser Verdächtige überhaupt der Täter sein kann. Auch diese Überprüfung läuft nach genauem Prozedere. Zeugen und Beschuldigte: Welche Rechte und Pflichten haben Zeugen? Es geht um Vernehmungen und Vernehmungstechniken, wobei immer die betreffende Rechtssituation erläutert wird.
Kriminalistik von A-Z
Geständnisse führen fast immer zur Verurteilung. Gerichte sind selten geneigt, Geständnisse kritisch zu hinterfragen und den Widerruf eines Geständnisses zu glauben. Ein Geständnis ist die Königin unter den Beweismitteln (Regina Probationum) – heißt es. Ein Kriminalbeamter, der einen Beschuldigten zu einem Geständnis motivieren kann, gilt bei den Kollegen als besonders kompetent.
Es geht dann weiter mit Zwangsmaßnahmen durch die Strafverfolgungsorgane, Untersuchungshaft usw. In folgenden Kapiteln werden Durchsuchung und Beschlagnahme, Gegenüberstellung, Alibiermittlung, Observation, Mithören durch Mithörvorrichtung und verdeckte Ermittlung erklärt, wobei Strafprozess- und Polizeirecht im Mittelpunkt steht. Immer wieder sind Urteile zu den Themen eingestreut. Die zielgerichtete und planmäßige Fahndung nach Personen und Sachen, Höchstmöglicher Schutz nach § 81a StPO wird erläutert. ziemlich zum Ende wird im Kapitel «Kriminalistische Rekonstruktion und kriminalistisches Experiment» das Thema nur angedacht, kurz und unverständlich. Es geht um die Hypothesenbildung, bei der eine in Aussage oder eine Frage gekleidete Vermutung oder Annahme über einen noch unbekannten Sachverhalt beurteilt wird. Um die Hypothese zu belegen oder zu widerlegen, sollte alles genau dem «Original» entsprechen. Bei der kriminalistischen Rekonstruktion geht es um die Wiederherstellung eines originalen Objekts oder der Situation. Das kriminalistische Experiment untersucht die «Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines relevanten Ereignisses und der Art und Weise seines Ablaufs». Das alles wird nicht näher erläutert, auch fehlen Beispiele. Ich denke, es geht hier um Nachstellungen von Spurenbildern, Geschossvergleiche, Drallspuren, rekonstruierter Aufprall, bis hin zum rekonstruierten Brand; Geschwindigkeiten, Bremsspuren – also den Originalfall/Zustand nachzubilden, viel Physik und Chemie usw. Dazu gehören auch statistische Erhebungen, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Bayes’sche Formel usw. Ich nehme an, dass dies gemeint ist. Das Strafverfahren vom Ermittlungsverfahren bis zur Revision wird am Ende ausführlich erklärt und ausgewählte Gesetzestexte komplettieren das Sachbuch.
Komplexe Arbeit der Kriminalpolizei
Kriminaltaktik besteht aus Kleinarbeit und Papierkram, ist an die Einhaltung von strafprozessualen Vorschriften und deren akribischen Dokumentation gebunden, wobei gerade auf letzteres absoluter Wert gelegt wird. So manche Hauptverhandlung ist geplatzt, weil wichtige Ermittlungsschritte in der Dokumentation nicht entsprechend detailliert genug dargestellt oder Rechtsvorschriften nicht eingehalten wurden. Insgesamt gibt Manfred Lukaschewski hier sehr verständlich Einblick in die komplexe Arbeit der Kriminalpolizei. Ein Buch, das jeder interessierte Laie versteht, bis auf das eine kurze Kapitel. Interessant ist das Buch schon allein darum, weil es Gesetze einbindet, so wie auch richterliche Entscheidungen zum Thema, um das gesamte Prozedere zu unterfüttern. Das ist neu und vielschichtig. Natürlich gibt es einige Sachbücher zur Kriminalistik, die ausführlicher gestaltet sind, tiefer ins Thema gehen – aber eben nicht in dieser einfachen Form und und die Rechtslage ist selten eingebunden. Wer sich erstmalig mit dem Thema beschäftigen möchte, findet hier sicher eine Menge Information.
Dr. Manfred Lukaschewski ist 1951 in der Altmark geboren, aufgewachsen bei den Großeltern in Berlin, hat der Autor an der Universität Rostock Physik studiert, darauf folgte ein Kriminalistikstudium in Berlin mit Promotion zum Dr. jur. Der Autor arbeitete in einer Morduntersuchungskommission mit Schwerpunkt Ballistik und übernahm später die Leitung. Er hat mehrere Lehrbücher aus dem Bereich Kriminalistik/forensische Medizin veröffentlicht.
Interview mit Manfred Lukaschweski: Dr. Manfred Lukaschewski (Sachbuchautor)
Kriminaltaktik – Von Anzeige bis Zeugenvernehmung
Kriminalistik in Theorie und Praxis
Sachbuch, Kriminaltaktik
184 Seiten
MAIN Verlag, 2020
Sachbücher
Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
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