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Korsische Gezeiten von Vitu Falconi - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


Korsische Gezeiten 

von Vitu Falconi



Korsika-Krimi 


Der Anfang: Wellen schwappten leise gluckernd gegen die Bordwand. Hin und wieder stieg eine von ihnen etwas höher und versprühte feine Tropfen. Wind war aufgekommen und führte den Geruch von Jod, Salz und Sonne mit sich. Die mitternachtsblauen Wogen wiegten die Paladin mit ruhigem Schlag, doch niemand hatte in diesem Moment Augen für die Schönheit des Meeres.
Mein nächster Versuch mit Bahnhofsliteratur: Den ersten Band der Korsika-Krimireihe von Vitu Falconi, »Korsisches Begräbnis«, fand ich nicht schlecht: Gute Unterhaltung und ein Feeling für Korsika – alte Tradition gegen das Moderne, Blutrache war hier das Hauptthema. Man muss wissen, dass hinter dem Pseudonym Vitu Falcon der Autor Thomas Thiemeyer steckt, der mit Abenteuerbüchern für Jugendliche und Erwachsene sich einen Namen gemacht hat. Und genau das ist das Problem. Schon der erste Krimi war keiner, sondern ein Abenteuerroman. Und in diesem neuen sogenannten Krimi tritt das noch mehr zu Tage. Ein Krimi benötigt einen Ermittler, der einen Fall aufklärt. Ja, es gibt in jedem Band in einem Mininebenstrang einen Kommissar, der einen Mord aufzuklären hat. Aber das sind circa drei Prozent der Geschichte und wenn man diesen Strang wegließe, würde das nicht mal auffallen. Im ersten Band war die Story wenigstens kriminell, denn eine mafiaverbundene Familie versuchte, die Hauptperson, Eric, umzubringen – Blutrache. Der Schriftsteller Eric Marchand ist wieder der Held des Romans, wie im letzten Band: ein wahrer Held der Abenteuergeschichten, der am Ende Unglaubliches leistet, was man eben nur im Abenteuerroman durchgehen lässt. Eingefleischten Krimilesern wird der Roman nicht gefallen, das gleich vorangesetzt, die werden säuerlich den Mund verziehen, weil das Buch mit der falschen Genrebezeichnung vermarktet wird. Selbst das Genre Crime wird nur angetastet, denn würde man den Strang der Mafiafamilie herausschreiben, würde dem Leser das nicht auffallen. Ein Abenteuerroman, dem ein wenig Mafiageschichte beigelegt wird, damit man ihn als Crime verkaufen kann?

Es gibt sehr spannende Szenen

Irgendwo krähte ein Hahn. Eric atmete erleichtert auf. Das Erdbeben schien wirklich vorbei zu sein. Hoffentlich war nichts Schlimmes passiert. Vor allem um Laurine machte er sich Sorgen.
Nun sollte ich aber erwähnen, dass ich mich teilweise unterhalten gefühlt habe. - Der Schriftsteller Eric Marchand lebt auf Korsika und schreibt an Schmonzetten-Krimis und seine Freundin Laurine entpuppt sich dieses Mal als Tauchspezialistin. Aber zurück zum ersten Kapitel, denn da hätte ich fast aufgegeben: Die Perspektive liegt personal auf  François, einen Profitaucher. An sich ein spannender Anfang. Allerdings erklärt uns der Autor durch ihn das Tauchen, und auch der Erzähler selbst redet in die Perspektive hinein, erklärt unendlich. Das zersäbelt die Spannung des Kapitels. Aber nicht nur das. Ich stelle mir vor, ich bin ein Profitaucher, ein Schatzsucher, auf dem Meeresboden, in der Erwartung, den Schatz des Jahrhunderts zu finden, den Schatz von Lava … macht sich so ein Mensch Gedanken darum, wie gedankenlos manche Hobbytaucher in die Tiefe gehen? (»Natürlich gab es auch Taucher, die ohne jegliches Equipment bis hundert, ohne anständiges Gerät …«) Überlegt er, wie diese Leute mit ihrer Gesundheit spielen und erklärt sich selbst (oder der Erzähler) das einfachste Tauchgerät? »Das Problem war der Auftrieb, Weste, Neopren, Atemluft – all das zog einen nach oben.« Hier erklärt der Autor ellenlang – Perspektivfehler und nebenbei ist die Spannung ist kaputt. Am Ende des Kapitels erschüttert die Insel ein leichtes Erdbeben, einer der beiden Taucher, die den Lava-Schatz schon teilweise in den Händen hielten, stirbt dabei.

Apnoe-Tauchens und Schatzsuche

Zugegeben, direkt unter der Oberfläche sah die Sache noch anders aus. Dort war Licht, da waren Farben, Wärme und Bewegung. Die ersten fünf Meter quollen nur so über von Leben. Aber bereits nach fünfzehn Metern war davon nichts mehr zu spüren. Und hier auf dreißig erst recht nicht. Ganz selten schwamm mal ein Fisch durch seinen Lichtkegel.

Versierte Taucher und Tauchinteressierte werden vielleicht an der Geschichte Gefallen finden, denn es geht um das Thema des Apnoe-Tauchens und um Schatzsuche. Geübte Apnoe-Taucher können bis zu sechs Minuten ohne Atemgerät tauchen, was auch Laurine beherrscht. Der Lava-Schatz ist nun nach dem Beben von Gesteinsbrocken verdeckt. Es gibt einen Eingang, aber der ist für Taucher mit Flaschen zu eng. Laurine soll hineintauchen, eine Sprengladung anbringen, ein gefährliches Unterfangen. Spannungsmomente gibt es im Roman einige, besonders am Ende. Oft steht sich allerdings der Autor dabei selbst im Weg. Auf der einen Seite möchte er den Lesern sehr viel erklären über das Tauchen, römische Geschichte, wissenschaftliche Schiffe. Ja, das ist interessant, doch mitten in einer spannenden Passage zerhaut es genau diese. Es gibt auch eine Menge Lokalkolorit, was ich als angenehm empfand, weil es an den richtigen Stellen gesetzt wurde.

Auch nicht unbedingt ein Sprachgenuss

Ich würde dich gern begleiten.« Sie sah ihn an mit Augen, die wie Christbaumkugeln glänzten.


Ihre Augen wurden klein wie Kieselsteine.


Die Augen der Frau waren hart wie Kiesel.

Die Ex-Freundin von Eric, Monique, taucht plötzlich auf und möchte Eric zurückgewinnen, zieht alle Register. Laurine schmollt. Monique wird von einer Sekunde auf die andere vernünftig und düst wieder ab. Och ne! Die Monique-Szenen und Dialoge wirken ziemlich schmonzettig und genau hier, wie aber auch an manchen anderen Stellen, wird es sprachlich glitschig. Am Ende der Geschichte ist Eric wieder der großartige Held, der Wagnisse auf sich nimmt, Leistung erbringt, die ihm eigentlich kein Leser abnimmt. Eben Abenteuergenre. »Korsisches Begräbnis« war für mich als Unterhaltungslektüre in Ordnung. Aber mit diesem Band bin ich raus. Jetzt ist klar, diese Reihe wird nie und nimmer eine Krimi-Reihe werden und diese Art von Abenteuergeschichten gehören nicht auf meine Leseliste.

Mit Krimi hat das nichts zu tun

Fazit: Spannende Momente gibt es, eindeutig, aber oft zerhackt durch Längen von Fachvorträgen. Was hat Monique in der Geschichte zu suchen? Sie treibt nichts voran, trägt nichts bei und verlängert die Story mit Schmonzetteneinlagen. Aus dem Mafiastrang hätte etwas werden können, aber der wird nicht wirklich in die Geschichte eingebunden, plätschert vor sich hin und verhungert irgendwann. Der Kommissar ermittelt am äußersten Rande der Story in einem Mordfall, bekommt mal wieder keinen Täter zu fassen. Lauter Einzelstränge, wenn man sie herausschriebe, an der Geschichte sich nichts verändern würde. Was bleibt, sind ein paar Erdbebenszenarien Tauchgänge und ein wenig Inselatmosphäre – der Hauptstrang – das Beste vom Plot. Mit Krimi hat das nichts zu tun.

Den korsischen Lava-Schatz gab es wirklich, hier die Infos dazu: Korsischer Lava-Schatz

Rezension zum ersten Band: Das korsische Begräbnis von Vitu Falconi

Und hier zum Interview mit Interview mit Thomas Thiemeyer

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