Rezension
von Sabine Ibing
Wenn die Nacht verstummt
von Linda Castillo
Kate Burkholder 3
Sprecher: Tanja Geke
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. und 1 Min.
Der Anfang:
Um Mitternacht begann es zu regnen. Kurz darauf riss der einsetzende Wind die letzten Blätter von den Ahornbäumen und Platanen und fegte sie wie kopflose Krebse über die Main Street. In nur einer Stunde war die Temperatur um fünf Grad gefallen, ein Vorbote der Kaltfront aus dem Norden. Morgen früh würde es schneien.
Amisch-People leben wie vor hundert Jahren, kleiden sich so, fahren mit Pferd und Wagen, besitzen kein TV oder sonst etwas Elektrisches, arbeiten meist in der Landwirtschaft. Sie sind gottesfürchtig und rechtschaffen. Die Amischen stammen überwiegend von Südwestdeutschen oder Deutschschweizern ab, kamen 1737 mit dem Schiff «Charming Nancy» und siedelten sich in Philadelphia an. In einer späteren Auswanderungswelle siedelten sie sich auch in Ohio und Indiana an. Einige sprechen noch heute untereinander im Dialekt ihrer ursprünglichen Volksgruppen. Mit den «Englischen», wie sie sie nennen – den anderen Volksgruppen – wollen sie nichts zu tun haben. Doch auch sie trifft der Hass wegen ihrer Andersartigkeit. Es ist dritte Band über die Amisch-Gemeinde in Painters Mill - für mich der Erste (aber bestimmt nicht der Letzte). Kate Burkholder war damals eine von ihnen, sie wurde von der Gemeinde mit 18 Jahren ausgestoßen. Heute ist sie Polizeichefin von Holmes County. Drei Menschen liegen auf ihrer Farm tot in der Güllegrube. Ihre Kinder sind fassungslos. Ein Unfall? Wollte hier einer den anderen herausziehen und wurde selbst ohnmächtig von den Gasen? So etwas kommt vor. Oder hängt dies mit den Tätlichkeiten gegen Amische zusammen, die in letzter Zeit immer häufiger vorgekommen sind?
Von ihrer eigenen Vergangenheit überwältigt
Pickles wusste nur zu genau, dass die Gewalt gegen Amische in letzter Zeit zugenommen hatte, … ein zertrümmerter Briefkasten, eine eingeworfene Fensterscheibe oder Eierwürfe auf Buggys, die Pferdewagen der Amischen. … Es war noch keine zwei Wochen her, dass ein Buggy von der Straße abgedrängt und dabei eine schwangere Amische verletzt wurde. Die Chefin und der Sheriff von Holmes County hatten daraufhin beschlossen, eine Sonderkommission zu bilden. Das Problem dabei war, dass die Amischen, die Opfer eines Verbrechens wurden, sich stets weigerten, Anzeige zu erstatten, und zwar mit der immer gleichen Begründung: ‹Gott wird uns behüten.
Doch dann ist es klar. Hier ist ein Mord geschehen. Wer hat diese Menschen ermordet, die niemandem etwas getan haben? Kate kennt die Amish gut und geht sehr empathisch mit den Familien um. Bald sieht es so aus, als wenn der Täter unter ihnen zu finden ist. Hier stößt die Polizei auf beharrliches Schweigen. Was wird aus den Kindern, wie wird das Jugendamt reagieren? Der Bruder einer der Toten stellt den Anspruch, als einziger Blutsverwandter seine Neffen und Nichten zu sich zu nehmen. Doch er ist ein Ausgestoßener – der Bischof der Gemeinde stellt sich dagegen. Von ihrer eigenen Vergangenheit überwältigt, steht die Icherzählerin Kate in manchen Situationen am Abgrund ihrer Gefühle.
Atmosphärisch dicht
Linda Castillo ist eine bildreiche Erzählerin, die Geschichte ist dicht, verstrickt sich manchmal in das Mantra der Wiederholung. Trotz aller Unaufgeregtheit war für mich dieser Krimi spannend, da die Autorin sehr atmosphärisch schreibt. Tanja Geke als Sprecherin wertet das Ganze wundervoll ab, versetzt sich stimmlich gekonnt in die Protagonisten hinein, macht das Hörbuch zum Erlebnis.
Linda Castillo wurde in Dayton/Ohio geboren und arbeitete lange Jahre als Finanzmanagerin, bevor sie mit dem Schreiben anfing. Ihre Thriller, die in einer Amisch-Gemeinde in Ohio spielen, sind internationale Bestseller. Die Autorin lebt mit ihrem Mann auf einer Ranch in Texas.
Kate Burkholder 3
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Helga Augustin
Sprecher: Tanja Geke
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. und 1 Min.
Krimi, amerikanische Literatur
Argon Verlag 2012, Audible
Taschenbuch, 336 Seiten
FISCHER Verlag, 2012
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