Direkt zum Hauptbereich

NSA von Andreas Eschbach - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing






NSA - Nationales Sicherheit Amt 

von Andreas Eschbach


Sprecher: Laura MaireUngekürztes Hörbuch - Spieldauer: 22 Std. und 14 Min.


Der Anfang: Seit es Lord Charles Babbage im Jahre 1851 gelungen ist, seine – damals noch mit Dampf und Lochkarten betriebene – »Analytische Maschine« fertigzustellen, hat die maschinelle Verarbeitung von Informationen rasche Fortschritte gemacht, was wiederum die gesamte übrige technische Entwicklung wesentlich beschleunigt hat. Noch im Kaiserreich Wilhelms II. wird das Deutsche Netz eingerichtet, der Vorläufer des Weltnetzes, das auch im Weltkrieg 1914/17 eine bedeutende Rolle spielt, ohne jedoch dessen für Deutschland nachteiligen Ausgang verhindern zu können.

Stell dir vor, Computer und Mobiltelefone hätte es bereits vor Hitlers Machtergreifung gegeben. Andreas Eschbach hat genau das gemacht.  »NSA« steht dabei für das »Nationales Sicherheits-Amt«, das bereits zu Kaiserzeiten gegründet wurde. Es gibt bereits ein sogenanntes »Weltnetz«, elektronische Post, das »Deutsche Forum«, etwas ähnliches wie Facebook, ein Handy, das so funktionsfähig ist wie ein Smartphone, Bargeld ist abgeschafft. Man kauft, bucht per Weltnetz oder bezahlt mit dem Smartphone. Die Menschen wissen meist nicht, dass ihr Handy abgehört werden kann, ihr Standort ermittelt wird. Schon gar nicht wissen sie, dass ihr Fernseher die Wohnung abhört. Dies ist ein Genremix (keine Dystopie, denn wir gehen in die Vergangenheit), einerseits Fantasy, andererseits geschichtlich und es ist eine Crimestory. Geschichtlich ist die Story nicht immer ganz korrekt (siehe oben, Erste Weltkrieg 1914 bis 1918, 1917  ist korrekt), also Vorsicht – es ist und bleibt Fantasy.

Die Frau, deren naturgegebene Aufgabe die Sorge für die Familie ist, muss hierzu eine Vielzahl von sich immer wiederholenden Arbeiten verrichten, …  Daher ist jede Hausfrau und Familienmutter von Natur aus eine Programmierin …

Die Hauptperson ist Helene Bodenkamp, eine Strickerin, eine Programmiererin, das Programmieren ist Frauenarbeit. Nach dem Abitur lernt Helene das Stricken nach Strickmustern und zeigt hier viel Intelligenz, wird bei der NSA aufgenommen. Der Job des Analysten, ist Männern vorbehalten, sie bestimmen die Aufgaben. Einer davon ist Eugen Lettke, der Sohn eines Kriegshelden, ein richtiger Fiesling, die zweite wichtige Figur.

Interessant finde ich, dass sich Eschbach auf die britische Mathematikerin Ada Lovelace bezieht, die hier als die Mutter der Programmierung gefeiert wird. 1840 schrieb sie für einen nie produzierten mechanischen Computer, die »Analytical Engine« von Charles Babbage, ein sehr komplexes Programm, das bereits Unterprogramme oder die Verzweigungen enthielt und als Vorbild für die heutigen Programmiersprachen gilt.

Die ersten zwei Zeilen lauteten:
Gies – 6.710 Kalorien pro Tag und Person
van Wijk – 5.870 Kalorien pro Tag und Person
›Treffer‹, sagte Lettke in die Stille hinein.
Himmler stand auf. ›Was heißt das?‹
›Diese Leute kaufen das fast Dreifache dessen an Lebensmitteln, was sie selber verzehren können‹, erklärte Adamek.

Hitler hat die Macht übernommen und Andreas Eschbach lässt geschichtliche Ereignisse in diesen Fantastik-Roman einfließen. Schon während der Schulzeit von Helene beginnt das Übel. Ihre beste Freundin muss sich in die letzte Reihe setzen, obwohl sie Christin ist. Sie hat jüdische Vorfahren. Diese Freundin wird wie viele andere Juden plötzlich das Land verlassen. Andere werden abtransportiert in Arbeitslager. Der Krieg beginnt. Die NSA bekommt die Aufgabe, nach sich versteckenden Juden zu suchen. Die Strickerinnen bekommen natürlich die Aufgabe nicht auf diese Art vermittelt. Helene muss ein Programm schreiben, das herausfindet, in welchen Wohnungen sich mehr Menschen als gemeldet befinden, wobei das Einkaufsverhalten berechnet wird. Kein Problem. Der Kalorienbedarf eines Menschen ist berechnet. Nimmt man nun die Einkäufe der Menschen aus den Bankdaten, denn es gibt ja kein Bargeld mehr, kann man schnell berechnen, für wie viel Kalorienbedarf sie Lebensmittel kaufen. Sind in einer Wohnung drei Personen gemeldet, und sie kaufen über Monate für sechs oder sieben ein, so lässt dies auf versteckte Personen schließen. Zuerst soll Helene ein Profil für Amsterdam erstellen, dort werden viele Juden vermutet. Und siehe da, die Aktion ist erfolgreich, unter anderem wird eine Familie Frank hoppgenommen. Helene wird noch viele Programme schreiben, deren Zwecke ihr zunächst nicht schlüssig sind.

Lettke ist ein Psychopath. Einst als Jugendlicher gedemütigt, insbesondere von Mädchen, lässt der unattraktive Mann seine Wut an Frauen aus. Sie müssen vor ihm winseln, sonst geht ihm keiner ab. Er benutzt seinen Dienstcomputer, um Frauen ausfindig zu machen, die etwas zu verbergen haben, sucht sie auf um sie zu erpressen und sexuell zu quälen. Er ist der Vorgesetzte von Helene.

Eines Tages steht der Mann vor ihrer Tür, in den sich Helene als Jugendliche verliebt hatte. Der Soldat ist von der Ostfront desertiert. Helene hilft ihm, sich zu verstecken. Bemerkenswert an dem Roman ist für mich der Verlauf der Handlung. Immer wenn ich dachte, so muss es weitergehen, wurde ich eines Besseren belehrt. Es ist ein fieser Roman. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Allerdings hat mich die Protagonistin ein wenig genervt, die sich kein Stück weiterentwickelt, sie rennt dem Unglück hinterher. Sie hätte viele Möglichkeiten, sich zu stellen. Die Figuren sind klischeehaft, das intelligente Mädchen, nicht besonders hübsch, unscheinbar - klar, eine Mathematikerin. Der Vater, reichstreu, bekannter Chirurg, verstrickt in dubiöse Arztpraktiken. Eine brave Landbevölkerung, die sich nicht beugen lässt und Hilfsbedürftigen zur Seite steht. Ein unattraktiver Mann, Psychopath mit dominierender Mama, einstmalig von Mädchen gedemütigt, quält Frauen. Da hätte ich ein wenig mehr Tiefgang erwartet. Letztendlich schockiert die Geschichte, aber neu ist sie nicht. Wir alle wissen, was mit dem Datenmüll anzufangen wäre, der über uns gesammelt wird, sollte eine faschistische Regierung an die Macht kommen. Neues habe ich letztendlich nicht erfahren, aber spannend war es trotzdem. Sicher gibt es Menschen, die sich bisher wenig Gedanken über das Sammeln und Auswerten von Daten gemacht haben. Denen lege ich den Roman ans Herz. Wie gesagt, für mich haben sich die Protagonisten nicht weiterentwickelt und mir fehlte die ganze Zeit etwas in der Geschichte. Am Ende wusste ich was: Ein Gegenpol – den wird es immer geben, in jeder Gesellschaft! Hier kommt keiner vor. Nicht ein Hacker tauchte in der Geschichte auf, und genau das macht die Story wiederum ein Stück unglaubwürdig. Am Anfang fand ich das Buch großartig, dann kippte meine Meinung: Wo bleibt der Widerstand? Das Ende war für mich unwürdig, einfallslos. Ich fand es sogar ein wenig unlogisch. Ein spannender Roman, der sich zu lesen lohnt, aber der große Wurf ist es nicht.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor.

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

  Rezepte, die du lieben wirst Der Israeli Yotam Ottolenghi hat zusammen mit seinem dreiköpfigen Küchenteam das nächste Kochbuch entwickelt. Das Team widmet sich dem Comfort Food und liefert inspirierende Gerichte, die nach Zuhause und Geborgenheit schmecken. Aber auch nach Kindheitserinnerungen und Reiseeindrücken. Comfort Food bedeutet für jeden etwas anderes, auf jeden Fall etwas wie Geborgenheit und Wohlfühlgefühl: ein Gefühl von Nostalgie, aber auch Vertrautheit. So sind über 100 Rezepte entstanden, von der Bolognese (mit asiatischen Gewürzen) bis zu Eier-Gerichten, von der One-Pot-Pasta bis zum Apfelkuchen. Rezepte, die zugleich originell aber auch vertraut und bewährt sind. Und immer mit dem gewissen Ottolenghi-Twist. Weiter zur Rezension:    Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

Rezension - Die weiße Wölfin von Vanessa Walder und Simona M. Ceccarelli

  Das geheime Leben der Tiere (Wald, 1) Ein heftiger Sturm tost durch das Flusstal, als fünf Wolfswelpen geboren werden. Die Jüngste ist eine winzige Wölfin. Ausgerechnet sie hat enormen Mut und nimmt sich vor, die allergrößte Jägerin zu werden. Eine Leitwölfin obendrein! Sie erhält vom Rudel den Naman «Fünf». Ein Rabenschwarm begleitet stetig das Rudel, denn sie weisen den Weg zur Beute, eine Teamarbeit. Der Rabe Raak ist der beste Freund von Fünf. Eine spannende, realitätsbezogene Tiergeschichte zum Leben der Wölfe! Empfehlung für Leseanfänger ab 8 Jahren! Weiter zur Rezension:    Die weiße Wölfin von Vanessa Walder und Simona M. Ceccarelli

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Eisbären von Marie Luise Kaschnitz illustriert von Karen Minden

Marie Luise Kaschnitz war in meiner Jugendzeit meine Lieblingsautorin und so war für mich dies von Karen Minden illustriere Buch ein Genuss, Bleistiftzeichnungen, die sich wunderschön mit der Kurzgeschichte verbinden. »Eisbären«, die Novelle ist Kaschnitz-Fans geläufig: Eine Frau hatte schon geschlafen, wacht auf vom Geräusch des Türschlosses. Endlich kommt ihr Mann nach Hause. Doch er macht kein Licht. Ein Einbrecher? Seine Stimme bittet sie, das Licht nicht auszulassen. Sie soll die Wahrheit erzählen – damals im Zoo – auf wen habe sie gewartet? Weiter zur Rezension:    Eisbären – Novelle von Marie Luise Kaschnitz, illustriert von Karen Minden

Rezension - Simply Jamie von Jamie Oliver

  Jeden Tag was Gutes In fünf Kapiteln werden tägliche schnelle Gerichte, ebenso Wochenend-Wunder, bewährte Ofenrezepte bis hin zu leckeren Nachspeisen von Jamie Oliver vorgestellt. Simply Jamie ist dazu da, die Lust am Kochen zu wecken. Das Buch steckt voller köstlicher, unkomplizierter Ideen, die schnell angerichtet sind. Und der Clou: Es gibt Grundzutaten wie Soßen oder ein pochiertes Huhn usw., aus denen sich wiederum eine Menge verschiedene Varianten herstellen lassen. Weiter zur Rezension:     Simply Jamie von Jamie Oliver

Rezension - Caspar Plautz - Rezepte mit Kartoffeln von Kay Uwe Hoppe, Dominik Kli – und Theo Lindinger

  Der Marktstand Caspar Plautz auf dem Viktualienmarkt in München ist wegen seiner Kartoffelvielfalt beliebt. Dazu gehört ein kleiner, aber feiner Imbiss, der mittags im Mittelpunkt seiner Gerichte die Kartoffel würdigt. Die Kartoffel erobert im Caspar Plautz die Welt. Der Erdapfel ist wendig, anpassungsfähig, geschmacklich variabel. Das ist ein wirklich exzellentes Kochbuch, das zeigt, wie die moderne Küche sich Ideen aus aller Herren Länder greift, sie neu kombiniert – wunderbar harmoniert. Von traditionell zu Weltküche – vegetarisch zu Fisch und Fleisch – hier findet jeder seine Lieblingskartoffelgerichte. Weiter zur Rezension:    Caspar Plautz - Rezepte mit Kartoffeln von Kay Uwe Hoppe, Dominik Kli – und Theo Lindinger Theo Lindinger

Rezension - Indians! von Tibure Oger

  Der dunkle Schatten des weißen Mannes  1922, irgendwo in Amerika. White Wolf, ein ehemaliger Häuptling der Chippewa, sitzt als Zirkusattraktion vor Publikum und erzählt aus seinen Erinnerungen. Es sind Geschichten aus einem langen Leben, das bald sein Ende finden wird. Geschichten aus 400 Jahren Kolonialismus, von einseitigen Kriegen und zweischneidigen Verträgen, von Heldenmut und von Habgier. Geschichten vom wackeren Kampf der First Nations gegen den Mord an ihrem Volk und von ihrer scheinbar unausweichlichen Niederlage. Tiburce Oger hat für «Indians!» sechzehn herausragende Künstlerinnen und Künstler der Neunten Kunst versammelt, um eine Chronik der Eroberung des Westens zwischen 1540 und 1889 zu erschaffen: Die bittere Kehrseite des amerikanischen Traums, die Auslöschung von Kulturen der indigenen Völker. Sehr guter Comic, der in kleinen Graphic Novels aus der Sicht der Ureinwohner die Geschichte ins rechte Licht rückt. Weiter zur Rezension:    Indians! von Tibure Oger

Rezension - Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler

  Mischa und Nits sind beste Freunde. Mischa liebt die Poems von Nits. Und der bewundert Mischa, weil er schlau ist und ein wandelndes Lexikon über Tiere zu sein scheint. Lügen geht gar nicht, so Nits Überzeugung. Darum fragt er sich, warum Mischa dem Lehrer weismachen will, er hätte eine Chlorallergie, als der Schwimmunterricht beginnt – Nits erzählt er, die Badehose sei von Mäusen angefressen worden. Überhaupt scheint Mischa in Schwierigkeiten zu stecken – doch wohl eher sein Vater ... Nits betritt in dieser Familie plötzlich eine völlig andere Welt – die der Armut. Aber das ist ein Unterthema – Mischas Vater ist untergetaucht; Mischa und Nits werden ihn nicht im Stich lassen – aber das könnte gefährlich werden ... Spannung, Humor und ein wenig Tragik machen das Buch zu einem Leseerlebnis. Meine Empfehlung ab 11 Jahren für diesen exzellenten Kinderroman.  Weiter zur Rezension:    Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler