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Mein literarischer Garten von Colette - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Mein literarischer Garten 


von Colette


Knapp sechs Uhr … Eben erst bin ich erwacht, und ich erwache langsam. Ich zögere noch, klar und sicher mein reich zu verkünden, das vom Anbruch der Nacht bis zur Morgendämmerung reicht, wenn im Osten noch kaum eine bräunlich purpurne Wunde die dunkle Hülle verletzt.

Ein Buch und ein Leser müssen zusammenpassen. Wir beide hatten keinen Zugang zueinander. Ich hatte etwas völlig anderes erwartet. Was eigentlich genau? Eine literarische Begegnung mit Pflanzen, so wie man das aus der Reihe «Naturkunden» von Matthes & Seitz kennt. Die Autorin spricht in der Ich-Form, mal von sich selbst und mal als Pflanze. Das muss man erst mal auseinanderhalten. Mir sagten die Texte leider nicht viel, ich fand sie ziemlich belanglos, auch nicht von poetisch großer Kraft beseelt. Verlagsbeschreibung: «Von der Rose bis zur Ringelblume, vom Mohn bis zum Maiglöckchen, von der Kalla bis zur Kamelie lässt sie die floralen Schätze in poetischem Licht erscheinen.» Genau das konnte ich hier nicht finden. Hin und wieder zitiert die Autorin zwei, drei Zeilen aus einem Gedicht, erwähnt den Autor und das Werk, bringt die ein oder andere Geschichte zur Pflanze, eher in Andeutung.




Leser und Autor müssen harmonieren

Sie raste herbei: Die geniale Bulldoggenstirn in strenge Falten gelegt und die Ohren aufgestellt wie Kallablüten. Sie war von einem leidenschaftlichen Gehorsam besessen, bewahrte sich dabei aber dennoch ihre starke Persönlichkeit und bestand auf eigene Ansichten.

Dieses Zitat beginnt damit, dass die Autorin erklärt, «bei uns» nennt man die Ringelblume Souci (Sorge) Im nächsten Satz heißt es «Sie rast herbei …», sie ist aufmerksam, beurteilt Menschen, entscheidet, dass der ein oder andere den Strick nicht wert ist, an dem er hängen wird, ist eifersüchtig auf die Katze der Autorin usw. – gemeint ist die Ringelblume. Über Geschmack kann man nicht streiten – meiner war es nicht. Andere Leute werden dieses Buch mögen. Ein Wort zu den Grafiken, die aus verschiedenen Büchern zusammengestellt wurden – auch die konnten mich nicht sonderlich begeistern.


Sidonie Gabrielle Colette (1873 – 1954) gehört zu den modernen Klassikern der französischen Literatur. Sie führte ein unkonventionelles Leben, liebte Männer wie Frauen und hinterließ ein umfangreiches Werk – Erzählungen, Romane, Essays, Erinnerungen und Briefe. Colette war Mitglied der Académie Goncourt, zeitweilig auch deren Vorsitzende. 1920 wurde sie zum Ritter der frz. Ehrenlegion ernannt, 1953 sogar zum Grand Officier. Als erster Frau in Frankreich wurde ihr ein Staatsbegräbnis zuteil.


Sidonie Gabrielle Colette 
Mein literarischer Garten
Originaltitel: Pour un herbier by Colette, 1991
Übersetzt aus dem Französischen von Waltraud Kappeler
Hardcover, Pocketformat, 120 Seiten
Ebersbach & Simon, 2020

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