Direkt zum Hauptbereich

Louise von Dinah Wernli - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing






Louise 


von Dinah Wernli


Louise Grütter, eine Schweizer Mutter, Bäuerin, Bedienstete; die Muse des Schweizer Maler Cuno Amiet – ihr Körper, sein Objekt. Das berühmte Brustbild zeigt die Bäuerin Louise Grütter, die in der Nachbarschaft von Cuno Amiet (1868–1961) und seiner Frau Anna auf der Oschwand lebte, einem malerischen Ort in den Berner Buchsibergen. Für eine gewisse Irritation sorgte damals ihre entblößte hängende Brust. Sie unterstützte Cuno und Anna bei Haushaltsarbeiten und sie diente Cuno ab 1905 häufig als Modell: als Schwangere, als Stillende, als junge Mutter, als Arbeitende wie mehrere Ölgemälde und eine Gruppe von Pastellen und Zeichnungen beweisen. Später entstanden auch experimentelle Halbakte. Cuno Peter Amiet (* 28. März 1868 in Solothurn; † 6. Juli 1961 in Oschwand) war ein Schweizer Maler, Zeichner, Graphiker und Bildhauer, der sich der Dresdner Künstlergruppe «Brücke» anschloss. Er hatte in München Kunst studiert. Im Musée du Luxembourg entdeckt Amiet 1890 für sich mit Édouard Manets Gemälde Olympia, die künstlerische Moderne, insbesondere den Impressionismus. «Pracht, Stärke und Einfachheit», wie er über Manets Werke sagte. 1892 reiste er in die Bretagne zur Künstlerkolonie Pont-Aven. Sein einjähriger Aufenthalt dort wurde für ihn zum künstlerischen Erweckungserlebnis. Hier entdeckt er die Malerei von Paul Gauguin, macht Bekanntschaft mit Vincent van Gogh, Paul Cézanne und tauschte sich mit internationalen avantgardistischen Künstlern aus. Er begann, mit reinen Farben zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz 1893 setzt Amiet die stilistischen Anregungen aus Pont-Aven in eigenständiger Weise um. Seine Farben hatten an Leuchtkraft gewonnen. Er steigert die koloristische Wirkung seiner Bilder durch Komplementärkontraste. Die erhoffte Anerkennung durch das Publikum blieb aus, sein avantgardistischer Stil wurde von vielen nicht verstanden. 1906 erhielt er die Einladung, der Künstlergruppe «Brücke» beizutreten (Expressionisten). 1908 bis 1911 stellte Amiet seine Arbeiten in verschiedenen Ausstellungen in Zürich, Wien, München, Berlin, Köln und Rom aus. 1931 gingen über 50 seiner Gemälde in Flammen auf, als in München der Glaspalast durch einen Brand zerstört wurde, vorwiegend Frühwerke. 1937 wurden einige seiner Arbeiten durch die Nazis als «entartet» gebrandmarkt, beschlagnahmt und teilweise ins Ausland verkauft. Er wird oft als «Bonnard der Schweizer» bezeichnet. Beeinflusst wurde er von den Malern des Post-Impressionismus, unter anderem Paul Gauguin, Émile Bernard und Paul Sérusier, aber auch von Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini.



"Oben auf der Oschwand findet sich ein Bauer, der sie heiratet."


Dinah Wernli, Künstlerin, fragt sich heute: Wer war diese Frau, die Amiet immer wieder Modell stand?
«Louise» ist das Porträt einer Frau aus einer anderen Zeit, deren Körper für immer festgehalten wurde, deren Stimme aber schon längst verstummt ist. Inspiriert durch Cuno Amiets Gemälde entwickelt Dinah Wernli eigene Werke zu Louise und erzählt mit ihnen als Graphic Novel in ihrem Debut die Geschichte der Bäuerin. Ein neues Jahrhundert bricht an. Eine Bäuerin, die weiß, was sie zu tun hat, und ihren Platz kennt. Plötzlich taucht ein Herr auf, zieht in die Nachbarschaft und fragt sie, ob er sie malen dürfe. Sie willigt ein, ein Zubrot kann nicht schaden, und sie steht dem Schweizer Maler Cuno Amiet in den folgenden Jahren regelmäßig Modell, geht somit in die Ewigkeit ein. 




"Kaum Möglichkeiten
Keine Qual der Wahl
andere Qualen schon."



"Er weht durch ihr Haar und durch ihr Herz."



Ein zärtliches Denkmal an all die Generationen von Frauen, die als Gemälde in die Kunstgeschichte eingingen, über die wir aber gleichzeitig so wenig wissen. Erst durch Cuno Amiets, heute durch Dinah Wernlis Blick gesehen, machen wir uns heute ein Bild von Louise. Die Fondation Cuno Amiet unterstützt Projekte zur Förderung des Interesses der Allgemeinheit an Kunst und Kultur in der Schweiz. Das Buchprojekt «Louise», dessen Wurzeln in Cuno Amiets Schaffenswerk liegen, hat die Stiftung durch seine Authentizität überzeugt und zur Unterstützung bewegt. 



"Am Zaun steht, grüsst."



"Sie geht heim zu ihrem Mann und Louisen."

Die Illustrationen von Dinah Wernli sind teilweise Neuinterpretationen der Originalbilder von Cuno Amiet. Größtenteils zeigen sie aber ihre eigenen Vorstellungen vom Leben der Bäuerin Louise Grütter, versehen mit knappen Bildunterschriften. Mich haben die Zeichnungen begeistert. Teils Aquarelle, teils Mehrfachtechnik mit wasserlöslichen Farben, arbeitet sie mit breitem Pinselstrich. Leuchtende Farben, wechselnde Perspektiven vom Weitwinkel in den Zoom – alles ist wuchtig. Farbprächtige Wirkung durch Komplementärfarben. Landleben, harte Arbeit, Mutter sein, Modell stehen. Der Lebenslauf der Louise Grütter als Bildergeschichte, die mit kurzen Texten angereichert ist – die Bilder wirken für sich allein. Mich hat dieses Buch völlig begeistert und ich bin total verliebt in die Arbeiten von Dinah Wernli. Es ist eine Hommage an die Landfrauen, die Bäuerinnen, die eine harte Arbeit verrichten mussten, gleichzeitig ihren Job als Mutter und Hausfrau verrichteten – und gleichzeitig stolze Frauen blieben, schöne Frauen. Kunstfreunde werden ihre Freude an diesem Band mit Sicherheit haben! Empfehlung! Ein Prima Geschenk für Kunst-Freunde.




"Wird ihre kleinen Louisen in eine Welt ziehen lassen, kaum grösser, als es die ihre war."


Dinah Wernli ist die Gewinnerin des Förderpreis 2022 der zeugindesign Stiftung im Bereich Illustration Fiction. Unter folgendem Link finden wir ihre Dokumentation der Arbeit «Louise».



Dinah Wernli ist 1983 in Schlieren, in der Schweiz geboren, arbeitete als Damenschneiderin in einem Basler Couture-Atelier und als Kindergärtnerin und Primarlehrerin an verschiedenen Schulen, ehe sie Illustration an der Hochschule Luzern ― Design & Kunst studierte. Seither ist sie als freischaffende Illustratorin und Autorin tätig. Sie lebt und arbeitet in Zofingen. Für «Louise» erhielt sie den Förderpreis der zeugindesign-Stiftung.



Dinah Wernli 
Louise
Kunst, Graphic Novel, Aquarell, Wasserfarben, Cuno Amiet, Kunstband, Schweiz
Hardcover, 168 Seiten, 22.8 x 30.7 cm
Edition Moderne Verlag, 2024






Graphic Novel, Comic, Grafisches  

Für die Fans von Comis / Graphic Novels und sonstigem Gezeichneten, wie Satire. Hier auf dieser Seite zusammengefasst.  Alle Altersgruppen. Graphic Novel, Comic, Grafisches






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz Karnauchow und Petra Thees

  Alter könnte so schön sein. Doch ältere Menschen werden in unserer Gesellschaft diskriminiert. Schlimmer noch, sie denken sich alt und grenzen sich selbst aus, sagen die Autor:innen. Das hat Folgen: Krankheit und Gebrechlichkeit im Alter gelten als normal. Altenpflege folgt daher dem Prinzip «satt, sauber, trocken». Und genau dieses Prinzip kritisieren Dr. Petra Thees und Lutz Karnauchow und gehen mit ihrem Ansatz neue Wege. Dieses Buch stellt einen neuen Blick auf das Alter vor - und ein radikal anderes Instrument in der Altenpflege. «Coaching statt Pflege» lautet die Formel für mehr Lebensglück im Alter. Ältere Menschen werden nicht nur versorgt, sondern systematisch gefördert. Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Bewegung, Physiotherapie und Sport statt herumsitzen! Ein interessantes Sachbuch, logisch in der Erklärung, ein mittlerweile erfolgreiches, erprobtes Konzept. Weiter zur Rezension:    Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz...

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Helisee - Der Ruf der Feenkönigin von Andreas Sommer

  Im 10. Jahrhundert gehört der westliche Teil der heutigen Schweiz zum Königreich Birgunt, erzählt uns diese Geschichte. Es ist eine wilde Gegend voller Wälder und Sümpfe, wo viele Menschen noch im Glauben an die alten Götter und Geister leben. Die Mauren greifen das Land an. Die Königin Bertha schützt das Land tapfer gegen räuberische Einfälle der mediterranen Mauren. Als der Hirtenjunge Ernestus, den die Leute im Dorf Erni nennen, einer ausgerissenen Ziege in den Wald folgt, überschreitet er unabsichtlich die Grenze des verrufenen Landstriches Nuithônia, dem Land der Feen. Seit Menschengedenken ist es verboten, dieses Gebiet am Fuß der Alpen zu betreten. Und er findet dort einen besonderen weißen Kiesel … Ein epischer Roman der High Fantasy, ein wenig Schweizer Sagenwelt, gut zu lesen. Weiter zur Rezension:    Der Ruf der Feenkönigin von Andreas Sommer

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt 

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Die Legende von John Grisham

  Die Schriftstellerin Mercer Mann wird auf ein Drama aufmerksam, das sich quasi direkt vor ihren Augen abspielt: Ein skrupelloses Bauunternehmen will eine verlassene Insel zwischen Florida und Georgia bebauen, ein Touristenparadies mit Hafen, Golfplatz, Spielcasino, Hotels, Villen, Apartmenthäusern – ein Luxusreservoir. Lovely Jackson, die letzte Bewohnerin der Insel hingegen behauptet, die Insel gehöre ihr, als letzte Nachfahrin der entflohenen Sklaven, die dort seit Jahrhunderten gelebt haben. Sie will das Naturparadies aufrechterhalten, die Gräber ihrer Vorfahren pflegen. Die Geschichte der Sklaverei, verbunden mit einem Gerichtsurteil im Jetzt. Kann man lesen, aber nicht der beste Grisham. Weiter zur Rezension:    Die Legende von John Grisham

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore