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Leonardo da Vinci – Das Auge der Welt von Volker Reinhardt - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Leonardo da Vinci 


Das Auge der Welt 

von Volker Reinhardt
Das Bild von Leonardo als dem geheimnisvollen, rätselhaften, nicht ganz geheueren Verächter aller Werte, Normen und Regeln, der die Mächtigen mit seiner Faulheit und Nonchalance vor den Kopf stößt und nach verbotenem Wissen trachtet, entstand also schon zu Leonardos Lebzeiten … Doch das ebenso profitträchtige wie gefährliche Handeln mit Geheimnissen war gerade nicht Leonardos Sache. Für Alchimisten und Wundermänner aller Art hatte er nur Hohn und Spott übrig.

Volker Reinhard hat tief in den Fakten geschürft, sich unter anderem auf Leonardos Notizbücher bezogen, und zum 500. Todestag Leonardo da Vinci eine Biografie gewidmet. Wer war dieser Renesance-Maler, dieses Genie? Und warum gibt es so viele unvollendete Bilder von ihm? Laut Gerüchten konnte er sich nie lange an einer Sache beschäftigen, arbeitete gleichzeitig an vielen Dingen. Das ist falsch. Das hatte ganz praktische Gründe, die auch auf die heutige Zeit passen: Ein Maler war damals ja ein Handwerker – und Leonardo, praktisch veranlagt, bat um Vorkasse. Und er war kein einfacher Zeitgenosse, machte gern, was er wollte und irgendwie hatte er das Gefühl, ein Bild sei nie vollendet. Der Querkopf, veränderte schon mal großzügig und eigenwillig die Aufgabenstellung, experimentierte mit neuen Farben, die vertraglich nicht vereinbart waren. Letzteres brachte ihm auch ziemlich großen Ärger ein, wenn die Farben verblassten oder abblätterten. Und wenn jemandem etwas an Leonardos Arbeit nicht passte, dann ging er von dannen. Eleonora d’Este, damals eine berühmteste Kunstsammlerin in Italien, vergab Aufträge an Talente, die sie durch ihre Beziehungen dann förderte. Sie vergab auch an Leonardo einen Auftrag, doch der zeigte ihr die kalte Schulter, lehnte solche Deals des »Networking« ab. Als Faulheit bezeichneten Zeitgenossen Leonardos andere Interessen, die Verschwendung seines Talents: Ihn interessierte sehr Natur und Technik.

Monatelang rührte er den Pinsel nicht an, um stattdessen versteinertes Meergetier in den Apennin zu studieren.

Von Mächtigen gefördert

Leonardo wurde am 15.04. 1452 in Vinci bei Florenz als uneheliches Kind eines Notars geboren und wuchs wahrscheinlich im Haus seines väterlichen Großvaters auf. Seine Schulbildung war nicht standesgemäß, er erhielt kein akademisches Studium, sprach kein Latein. Daher rührte wohl auch seine Verachtung für Privilegierte. Er absolvierte in Verocchios Werkstatt in Florenz eine Ausbildung, war dort ca. 10 Jahre beschäftigt, wurde in die Malergilde aufgenommen, arbeitete weiter selbstständig in Florenz und ging 1482 nach Mailand, wo er als Hofkünstler arbeitete. Später stellte Cesare Borgia ihn als Kriegsingenieur an. Als Ludovico Sforza vom französischen König entmachtet wird, zieht es Leonardo nach Mantua, Venedig, Florenz und er wurde dann von Giovanni di Medici, der sich nun Leo X. nannte, nachdem er zum Papst gewählt wurde, nach Rom eingeladen. Er fühlte sich dort unwohl und folgte einer Einladung des jungen französischen Königs. Mit der »Mona Lisa« im Gepäck zog Leonardo da Vinci, nun 62 Jahre alt, im Jahr 1516 an die Loire nach Amboise auf Einladung von König Franz I.. Leonardos Protegé, ein Herzog, war verstorben und ohne Gönner hat man im Alter als Künstler Not. Leonardos Konkurrenten überzeugten den Papst, den neuen Petersdom zu gestalten. Ihn ließ er außen vor. Möglicherweise haben auch Leonardos anatomischen Studien an Menschen, Leichen und Ochsenherzen den Papst davon abgehalten, ihn zu beauftragen. Leonardo da Vinci starb am 02.05. 1519 in Cloux im Alter von 67 Jahren.


Leonardo war Zeit seines Lebens ein Außenseiter. 

Leonardo sah in der Malerei nicht allein ein Handwerk, sondern eine Inspiration, Philosophie - Kunst. Er war der Meinung, was man nicht verstehe, könne man auch nicht malen. Natürlich sagte er, Malerei sei die höchste Kunst, denn sie sei die Einzige, die die Natur exakt wiedergeben könne und sei deswegen der Sprache weit überlegen. Dann folge die Dichtung, weit später die Musik. Und im Groll auf seinen ärgsten Konkurrenten Michelangelo Buonarotti meinte er, die Bildhauerei, stehe ganz dahinter, weil man sich bei der Arbeit beschmutze. Die Poeten stellte er ans Ende der Künste.
»Ein Lamm mit dem Kopf in den Armen des jungen Erlösers. …Jesus hat sein linkes Bein über das Lamm gelegt und dieses an den Ohren gepackt, um ihm das Genick zu brechen. … Christus der sich opfert, um die Sünden der Menschen auf sich zu nehmen, ist das Lamm Gottes …«
Leonardo beschäftigte sich gern mit der Natur, mit Verfall und Tod, dem Neuerwachsen. Und er hatte seine eigene Art dies versteckt in seinen Gemälden darzustellen. Ein Rätsel ist das Christuskind auf einem Gemälde, das die heiligen Anna zeigt. Hier verdreht das Christuskind einem Lamm den Kopf. Religion, tiefer Agnostizismus, oder welche Intension steckt dahinter? Leonardo war Zeit seines Lebens ein Außenseiter. Ohne höhere Bildung zum Humanismus, Latein, dazu sein störrisches Wesen, Homosexualität, alles Faktoren, die ihn außen vorließen, oder die er sich selbst verschuldete, machten ihm das Leben schwierig.

Volker Reinhardt, Prof., Prof. für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg, gehört international zu den führenden Renaissance-Experten. Mit seiner Biografie über Leonardo hat er eine gut lesbare Biografie mit interessanten Einblicken über den Maler und seine Zeit gegeben.  Ein empfehlenswertes Werk für Freunde der Kunstgeschichte.

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