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Ihr Kampf von Eva Kienholz - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


Ihr Kampf 


von Eva Kienholz

Wie Höcke & Co. die AfD radikalisieren


Der Anfang:

Vier Tage bevor der «Flügel» Geschichte werden soll, erscheint im Internet ein Video. Es ist der 26. April 2020 – und Björn Höcke, AfD-Chef von Thüringen und Gründer des Flügels, setzt einen Schlusspunkt unter eine Gemeinschaft, die nie leist zu fassen gewesen ist.


Sie sind völkisch, nationalistisch, unberechenbar: Der «Flügel» um Björn Höcke und Andreas Kalbitz, die äußersten Rechten in der AfD, und sie sind trotz der offiziell verkündeten Auflösung nach wie vor ein wichtiger Machtfaktor und Radikalisierungsmotor – sie sind noch da, immer noch vernetzt, ihr Gedankengut ist unverändert. Förmlich distanziert sich ein Teil der Parteiführung von dieser Gruppe – doch waren sie es nicht, die diese Gruppierung in die AfD integrierten, die lange hinter ihnen standen, sie salonfähig machten? Beim «Flügel» ist alles unverändert, doch ganz plötzlich sind sie Meuten und Co zu rechtsradikal? Weil der Verfassungsschutz die Partei im Auge hat? Die andere Hälfte der Partei steht klar hinter Höcke und seinem «Flügel». Wer bestimmt in der AfD wirklich die Richtung? Neonazi-Kreise, rechte Verleger wie Kubitschek, Identitäre, eine Gemengelage aus verschiedenen Strömungen kommen hier zusammen. Die Journalistin Eva Kienholz hat undercover Veranstaltungen des Flügels und der Neuen Rechten besucht. Ihre Analysen belegen: Höcke & Co. unterwandern die AfD – und könnten schon bald die gesamte Partei übernehmen. In diesem Buch hat sie ihre Recherchen zusammengefasst.


Die Geister, die ich rief

… dass sie zwar die Visionen eines völkisch organisierten Landes ohne Einwanderung mit traditionellen Werten entwerfen, sich aber aus taktischen Gründen bedeckt halten, wenn es um die Frage geht, wie genau sie diese Vision durchsetzen wollen.. Einen Einblick liefert Höcke in seinem Buch …


Die AfD, 2013 von dem Ökonomen Bernd Lucke, zusammen mit Alexander Gauland, Konrad Adam und Gerd Robanus als neoliberal-konservative, eurokritische Wahlalternative gegründet, ist heute Stück für Stück von radikalen Gruppen übernommen worden. Die Geister, die ich rief … Bernd Lucke konnte sich nicht durchsetzen, verließ die Partei, die ihm zu rechtsradikal wurde, ebenso seine Nachfolgerin Frauke Petry, da ein weiterer Rechtsruck auch selbst sie schockierte. Andre Poggenburg, Andreas Kalbitz, Björn Höcke und weitere Namen stehen für diese Verschiebung in der Partei, die heute als  völkisch-nationalistisch zu betrachten ist. Öffentlich reden sie nicht von ihren Vorstellungen – man muss die Bücher lesen, Veranstaltungen besuchen, z. B. die von Höcke. Er spricht von einer Wendezeit, die von einer zentralen Führungsfigur regiert wird, «Dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt, denn die größten Probleme von heute sind ihr anzulasten.» Liest man sich dort ein, dann muss man unweigerlich feststellen – das Zeug ist alles alt, das hatten wir bereits in den 1930-Ern. Mit einem Blick zurück weiß jeder, wie dies endete. Eva Kienholz gibt einen Einblick ins Netzwerk um die AfD. Das Buch ist gut zu lesen, weil es im Reportagestil geschrieben ist, sie berichtet von Veranstaltungen, an denen sie selbst under cover teilgenommen hat. Wer sich mit dem Thema erst wenig beschäftigt hat, findet hier eine komprimierte Zusammenfassung, sachlich legt Eva Kienholz Fakten auf den Tisch. Wer sich auskennt, wird nichts Neues finden; zum Thema gibt es wesentlich intensivere, tiefgehendere, härtere Literatur. Doch ich finde es gut, so für eine breitere Öffentlichkeit das Thema zu öffnen. Was mir fehlt, ist der Zusammenhang zu den westlichen Strukturen, die lange Jahre im Untergrund gewerkelt haben (deren Ursprung ist ziemlich interessant) und die eine Radikalisierung der AfD mittragen, nämlich genau dadurch ihre Schattenplätze verlassen konnten. Wer wissen möchte, wer in der AfD das Sagen hat und wie sie sich verändert hat seit ihrer Gründung, wohin sie laufen wird, der liegt mit diesem schmalen Band richtig. 


Eva Kienholz, geboren 1987 in Heidelberg, studierte Germanistik, Geschichte und Deutsche Literatur in Mannheim und Berlin. Sie arbeitete in Redaktionen, Verlagen und einer Werbeagentur und ist heute als freie Autorin tätig. Seit 2015 beschäftigt sie sich intensiv mit der AfD und der Neuen Rechten.



Eva Kienholz 
Ihr Kampf
Wie Höcke & Co. die AfD radikalisieren
Sachbuch, Politik, Rechtsextremismus, Neue Rechte, Völkische Bewegungen, Rechtspopulismus, AfD
160 Seiten, Broschur
Verlag Das Neue Berlin, 2020

Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher


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