Rezension
von Sabine Ibing
Heringe – Ein Portrait
von Holger Teschke
Vom Hering lernen, heißt überleben lernen
Er wird als Bernstein oder Gold der Ostsee bezeichnet, als das Silber des Meeres. Im Mittelalter wog man ihn mit Gold und Pelzen auf, apostrophierte ihn als den «König der Fische». Der Hering. Je nach Lichteinfall schimmert der Fisch silbrig, oder in Tönungen von Blau bis Violett und Smaragd, geräuchert goldig schimmernd. Bevor der engmaschige industrielle Fischfang mit Radarortung begann, konnte man Heringsschwärme ausmachen, die sechs Kilometer breit und 15 Kilometer lang waren. Strahlte die Sonne darauf, leuchtete das Meer silbern und blendete die Fischer.
Die Engländer hatten 500 Planwagen mit Heringsfässern beladen und unter dem Geleitschutz von Sir John Falstaff nach Orléans losgeschickt. ... wurde der Konvoi von französischen Truppen angegriffen. Sir John ließ eine Wagenburg bilden und die englischen Truppen sollen neben Pfeilen und Lanzen auch Heringe gegen die Franzosen geschleudert haben. Bis diese die Flucht ergriffen. Shakespeare hat diese Szene in Henry IV leider ausgelassen.
Holger Teschke, auf Rügen geboren, aus einer Fischerfamilie stammend, selbst zwei Jahre auf Fischfang, hat dieses wunderbare Essay über den Hering geschrieben. Ein Fisch, der manche vermögend machte, der sogar Kriege auslöste, einer der Maler begeisterte, in Romanen, Theaterstücken und Gedichten gepriesen wird. Die Natur- und Kulturgeschichte einer mittlerweile gefährdeten Art. Neben der Geschichte des Herings und seiner Unterarten kommt auch seine Bedeutung in der Kunst nicht zu kurz. Es folgen am Ende Rezepte zum Hering und die genaue biologische Beschreibung der Unterarten samt Grafik.
Wollt ihr ein gesundes Essen,
Müsst ihr Pökelhering fressen.
Nicht zu salzig, nicht zu fett,
Quält er euch nachts nicht im Bett,
Sondern lässt sich gut verdauen
Und gibt Kraft euch für die Frauen.
Ein wunderschönes Porträt über den Hering, fein geschrieben: Wissenswertes, Geschichtliches, Humorvolles über den Heringsfisch und seine Bedeutung für den Menschen. Holger Teschke schwärmt nicht nur für den Schwarmfisch, er erwähnt auch die enge Verbindung zum Menschen, die Überfischung der Meere, zu unserem gestörten Verhältnis. Ein liebevolles Buch um Pocketformat, und wie sagte bereits Tucholsky, (Zitat aus diesem Buch): «Hering ist gut. Sahne ist gut. Wie gut muss erst Hering mit Schlagsahne sein.» Ich wünsche viel Spaß beim Schlemmen. Übrigens, das Buch gehört zu einer Reihe von Matthes & Seitz, die sich «Naturkunden» nennt. Dort finden sich noch einige Leseschätze zum Thema Natur.
Menschen, Fische, alles wirft sich auf sie, aber sie ziehen weiter. In dieser Welt, in der es keine festen Bindungen gibt, ist ihr Vergnügen ein Abenteuer, ihre Liebe eine Reise. Auf ihren Zügen vergießen sie wahre Ströme an Fruchtbarkeit.
Holger Teschke, geboren 1958 in Bergen auf Rügen fuhr als Maschinist auf Fischereikuttern zur See, bevor er Schauspielregie in Berlin studierte, wo er anschließend als Dramaturg und Autor arbeitete. Von 2000 bis 2010 war er als Regisseur und Regielehrer in den USA, Australien und Südostasien unterwegs, seit 2010 ist er Dozent für Theatergeschichte und Dramaturgie. Holger Teschkes letztes Buch, Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee, erschien 2013. Er schreibt für mare, Theater der Zeit und Deutschland Radio Kultur und lebt in Berlin und South Hadley, Massachusetts.
Holger Teschke, Judith Schalansky (Hg.)
Heringe – Ein Portrait
Essay
Illustration: Falk Nordmann
Reihe: Naturkunden Bd. 009
119 Seiten, Gebunden
Matthes & Seitz, 2014
Kommentare
Kommentar veröffentlichen