Ein Jahr im Mittelalter
von Tillmann Bendikowski
Essen und Feiern, Reisen und Kämpfen, Herrschen und Strafen, Glauben und Lieben
Dieses Buch schaut in erster Linie nicht auf die Großen dieser Zeit, die Kaiser und Könige, die Päpste und Erzbischöfe, auch wenn die selbstverständlich vorgestellt werden, weil sie die Lebenswelt der Menschen mit der Ausübung ihrer weltlichen und kirchlichen Macht erheblich mitgestalten. Vielmehr soll es um die ganz normalen Menschen dieser mittelalterlichen Gesellschaft gehen.
Wie lebten und starben die Menschen im Mittelalter? Wie feierten sie, wie zogen sie sich an und was aßen sie? Wie kurierten sie Krankheiten aus, wie schützten sie sich vor Hitze und Kälte? Woran glaubten sie, wovor hatten sie Angst, was machte ihnen Mut? Das Buch geht den Monatsrhythmus und beginnt mit dem Juli 1164. Die Vielsprachigkeit ist hier ein interessantes Thema. Der August ist ein Reisemonat – allerdings nicht zum Vergnügen. Landesfürsten bereisen ihr Reich, sprechen Urteile, Geschäftsleute und Pilger sind unterwegs, Krieger sammeln sich. Wie sehen die Wege aus? Apropos Wege, riesige Waldgebiete durchziehen das Land, Zölle, Wegelagerer, ein wichtiges Thema! Ernte, und Holzschlag, wichtige Arbeiten im August. Im September wird das Rittertum und Kreuzzug beschrieben. Der Oktober beschreibt das Hungern und Essen, Mäuseplagen. Die meisten Menschen ernähren sich vom Haferbrei, mehrfach am Tag, tagein, tagaus. Als Beilage zu Schwarzbrot gibt es vielleicht einmal Erbsen, Linsen, Bohnen, Rüben, Zwiebeln oder Kohl, im Sommer ein Stück Obst, ganz sellten gibt es ein Stück Fleisch. Mithilfe zahlreicher farbiger Abbildungen ist das 12. Jahrhundert veranschaulicht. Der Weizen und das Weißbrot sind den Oberen vorenthalten.
Was ist eigentlich ein gutes Leben? Die allermeisten Menschen wären schon froh, wenigstens das Notwendigste zu haben: ausreichend zu Essen zum Beispiel, ohne Angst um das tägliche Brot. Und dazu noch Gesundheit, um dieses Essen auch genießen und ohne Zahnschmerzen kauen zu können.
Der Tonfall von Tillmann Bendikowski ist plaudernd, das Buch liest sich trotz aller Sachlichkeit wie eine Geschichte. Der Leser ist dabei, wenn endlich der Regen in der Stadt den stinkenden Urnat in die Gräben schwimmen lässt, sich gleichzeitig aber die Straße in Morast auflöst. Die Stadt ist ein «Sehnsuchtsort», ist aber gleichzeitig immensen Ordnungsprinzipien unterlegen, die strengstens überwacht werden, und Zuwiderhandlungen werden hart bestraft. Der Februar beschäftigt sich mit der Medizin, im März geht es ums Geld und Tauschhandel und Bekleidung, der April ist der Gerichtsbarkeit gewidmet. Gottesgnadentum, Monarchie und Lehnswesen sind wichtige Themen der Zeit, ziemlich am Ende im Kapitel Mai erklärt, am Hoftag von Kaiser Friedrich Barbarossa der am 19. Mai 1184 in Mainz stattfand.
Ich fand das Buch spannend und informativ, nämlich so geschrieben, dass man Spaß beim Lesen hat. Der Schlagwortkatalog im Abschluss könnte etwas ausführlicher sein, wenn später etwas wiederfinden möchte. Der ist extrem dünn gestaltet. Es wäre übersichtlicher gewesen, das Buch thematisch abzuhandeln. Denn letztendlich ist es thematisiert – auch wenn der Autor sich an den Kreislauf eines Jahres versucht zu orientieren. Insgesamt eine absolute Empfehlung für Geschichtsfans.
Dr. Tillmann Bendikowski, geb. 1965, Journalist und Historiker, promovierte an der Ruhr-Universität Bochum. Als Gründer und Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg schreibt er Beiträge für Printmedien und Hörfunk und betreut die wissenschaftliche Realisierung von Forschungsprojekten und historischen Ausstellungen. Seit März 2020 ist er als historischer Kommentator im NDR Fernsehen zu sehen, wo er in der Reihe «Das! historisch» Geschichte zum Sprechen bringt.
Ein Jahr im Mittelalter
Essen und Feiern, Reisen und Kämpfen, Herrschen und Strafen, Glauben und Lieben
Sachbuch, Geschichte, Mittelalter, historisches Wissen
Hardcover mit Schutzumschlag, 448 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
C. Bertelsmann Verlag 2019
Historische Romane
Im Prinzip bin ich an aller historischer Literatur interessiert. Manche Leute behaupten ja, historisch seien Bücher erst ab Mittelalter. Historisch - das Wort besagt es ja: alles ab gestern - aber nur was von historischem Wert ist. Was findet ihr bei mir nicht? Schmonzetten in mittelalterlichen Gewändern. Das mag ganz nett sein, hat für mich jedoch keine historische Relevanz. Hier gibt es Romane und Sachbücher mit echtem historischen Hintergrund.Historische Romane
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