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Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Ein Freund wie kein anderer 

von Oliver Scherz  und Barbara Scholz


Wir erkunden den Wald!«
»Das dürfen wir nicht!«, flüsterte Hebbe.
»Aber ich war noch nie im Wald.«
»Weil wir es eben nicht dürfen!«
»Trotzdem.« Habbi sprang hinter einer Vogelfeder her.

Eine Geschichte über Freundschaft – Freundschaft kann Grenzen überwinden. Die Story ist schon in ähnlicherweise hundert Mal erzählt worden, aber man hört sie immer wieder gerne. Das Buch erinnert mich an Disney-Produktionen, in Aufbau der Story und Grafik, man sieht es schon am Cover. Erdhörnchenkind Habbi hat keine Lust, immer nur die Vorräte für den Winter einzusammeln, zumal man sich lediglich auf erlaubten Futterpfaden bewegen darf. Das ist doch langweilig! Die Welt daneben sieht viel interessanter aus, also wagt er sich in den Wald hinein und noch viel weiter – bis ans Ende der Welt. Denn die Alten erzählen vom Ende der Welt. Die scheint mit einem Wasserfall zu enden.

Da löste sich ein Stein und riss noch weitere Steine mit sich und Habbi rutschte den Hang hinab. … Am Fuß des Geröllfelds prallte er mit Wucht gegen etwas Weiches und zu seinem Glück nicht gegen den schweren Felsblock, der direkt dahinter aufragte.



Die Geschichte ist personal aus der Sicht von Habbi geschrieben, eine gute Art, die kleinen Leser mitzunehmen. Leider wird hier nicht aufgelöst, ob der Wolf, der unter Steinen halb vergraben liegt, durch die Schuld von Habbi in diese Misere geraten ist. Denn das würde dem Wunsch, dem Wolf zu helfen, eine andere Dimension geben: schlechtes Gewissen. In der Nacht kann Habbi nicht schlafen. Der Wolf stirbt, wenn ihm niemand hilft. So flitzt er am nächsten Tag zum Wolf, räumt die Steine weg, befreit ihn. Doch leider ist das eine Bein des Wolfs verletzt. Er heißt Yaruk und will jetzt sterben, denn seine Familie würde ihn ausstoßen, das macht man so mit verletzten Herdentiere. Habbi versucht, ihm Lebensmut zu geben. So schleppt sich Yaruk in eine Höhle. Habbi stopft sich in der Vorratskammer seiner Familie die Backentaschen voll Früchte, Pilze, Nüsse, besucht jeden Tag Yaruk. - Eher würde ein Wolf verdursten, als verhungern, aber Wasser gibt es nicht. - Die Mahlzeiten gefallen dem Wolf nicht, doch was soll er machen. Eine Freundschaft entwickelt sich – aber Yaruk stellt klar: Er ist ein Wolf, ein Fleischfresser, das ist nun mal so. Das hat mir gefallen. Glücklicherweise wird der Wolf nicht vegan. Es gibt für die beiden Freunde noch einiges durchzustehen in diesem Buch. Eine ungewöhnliche Freundschaft steht im Mittelpunkt, zu respektieren, dass andere Lebewesen anders leben, ein anderes Essverhalten haben und dass man nicht immer ausgetretene Pfade begehen muss. Interessantes liegt jenseits der Büsche, hinter dem Horizont, den man dort hinten erweitern könnte. Ein Kind muss hin und wieder ausbrechen aus der Familie, gegen die Regeln handeln, sich gegen gesellschaftliche Normen wenden, um seinen eigenen Weg zu finden. Manchmal ist es wichtig, sich vor einen Freund zu stellen, ihn vor der Sippe zu verteidigen, und manchmal wird man vor harte Entscheidungen gestellt. Habbi ist intuitiv, er handelt, aber er reflektiert nie sein Treiben, fragt auch nie im Vorfeld, was seine Entscheidungen für ihn persönlich bedeuten könnten. Das hat mir an vielen Stellen gefehlt. Denn darum geht es letztendlich: Etwas bewusst zu tun, sich bewusst einzusetzen mit allen Konsequenzen.



»Hach, ich liebe dieses niedliche Buch«, schrieb mal jemand auf Instagram, spricht vom süßen Cover und putzigen Tierchen. Die Geschichte ist spannend und sie wird Kindern gefallen, ohne Frage ein gutes Vorlesebuch, bzw. gut geeignet für Erstleser, da es eine große Schrift enthält. Mir persönlich, aus Sicht des Erwachsenen, war es ein wenig zuviel Zucker, zuviel Mainstream, zu wenig Selbstreflexion der Protagonisten, auch die Grafik war mir ein wenig oberflächlich. Insgesamt ist es immer noch ein gutes Kinderbuch, keine Frage. Als Lesealter wird vom Thienemann Verlag 6-8 Jahre empfohlen. Das passt, auch die Gestaltung mit größerer Schriftgröße als Einstieg zum Selbstlesen.


Oliver Scherz, geboren 1974 in Essen, ist Kinderbuchautor und ausgebildeter Schauspieler. Er hat das Schreiben für Kinder erst mit der Geburt seiner Tochter für sich entdeckt. Barbara Scholz, 1969 in Herford geboren, machte zunächst eine Ausbildung zur Druckvorlagenherstellerin. Anschließend studierte sie in Münster Grafik Design mit dem Schwerpunkt Illustration. Seit 1999 arbeitet sie als freie Illustratorin für verschiedene Verlage. Für ihr Bilderbuch „Verflixt, hier stimmt was nicht“ wurde sie mit dem Buxtehuder Kälbchen ausgezeichnet.

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