Rezension
von Sabine Ibing
Begel, der Egel
von Nele Brönner
Das Cover reizte mich, und etwas über Egel kennenzulernen wäre mal etwas anderes. Die wenigsten Autoren beschäftigen sich mit Tierchen, die der Mensch nicht unbedingt als nützlich, bzw. niedlich betrachtet. Leider wurde ich von diesem Bilderbuch gänzlich enttäuscht.
Das erste Bild tat mir gleich in den Augen weh, aber dazu später. Der Begel wohnt in einem Glas auf einem Regalbrett in einer Tierarztpraxis, erfahren wir. Er hängt drin herum oder kringelt sich. Zeichnerisch ist das Glas zu erkennen – mittendrin ein brauner Fleck. Auf der nächsten Seite kann man den Egel in seinem Glas erkennen. Er arbeitet gewissenhaft. Da fragt sich der Leser, was arbeitet so ein Egel? Einmal wöchentlich wird das Wasser in seinem Glas gewechselt. Eines Tages bekommt Begel einen Mitbewohner ins Glas gesetzt: Ögel. Den Kleinen weist er gleich zurück in die Ecke, er sei ja schließlich Therapeut, muss sich auf seine Arbeit konzentrieren. Ein paar Seiten später erfahren wir endlich, welche Aufgabe Begel erfüllt:
So mein Herr, ich setze den Begel jetzt in ihren Nacken. Er beißt sich fest und zieht mit dem Blut auch die Entzündung raus …
Der Egel wird einem Hund in den Nacken gesetzt. Das war mir zu wenig Erklärung zum Thema Egel und seiner medizinischen Wirkung. Das ist selbst für Kinder zu einfach und zu banal dargestellt. Der Hund schüttelt sich und der Egel landet auf dem Boden. Nun wird er ganz staubig, wird irgendwann von der Ärztin gefunden und kommt zurück in sein Glas. Ögel bewundert Begel, wie mutig er sei, furchtlos, wie er geflogen sei, fantastisch … die Bewunderung tut dem Begel gut. Und nun sind sie dicke Freunde.
»Nele Brönner zeigt, dass Blutegel mehr können, als bei Betrachtern, Opfern und Patienten gleichermaßen Ekel hervorzurufen. Begel, der Egel ist aber auch eine Geschichte, die vom Misstrauen gegenüber dem Fremden erzählt und davon, wie ein Zusammenleben – über die Grenzen der Vorurteile hinweg – doch funktionieren kann.« So schreibt der Verlag das Buch aus. Hat man ein paar Seiten vergessen? Wo ist hier das Misstrauen gegenüber Fremden, wo sind die Vorurteile? Wenn man mir einen Fremden in meine Wohnung setzt, dann bin ich sicher auch nicht begeistert. Das ist ein ganz normales Revierverhalten. Und weil der Ögel dann in Bewunderung für den Begel ausbricht, wird er vom ihm akzeptiert? Was ist das für eine Aussage?
Kunst ist persönlicher Geschmack in den Augen des Betrachters. Die Illustration hat in ihrer Farbkraft bei mir wenig Wohlgefühl ausgelöst. Das plakative Neongelb und Neonorange als großflächiger Hintergrund war mir zu heftig (kommt bei meinen Fotos leider nicht so schrill herüber, es ist krass), Alarmfarben, man mag sich nicht in das Bild einfinden, genau hinschauen. »… mal baumeln, mal knallvoll gesogen und prall wie ein Flummi, dann wider spröde, borkig und ramponiert« – so der Verlag zu den Illustrationen des Begels. Den Flummi habe ich nicht gefunden. Ja, der Egel ändert vollgesogen seine Form, ist dick, aber nie rund. Ansonsten sieht er immer gleich aus: ziemlich düster, detaillos – spröde, borkig, ramponiert dringt für mich nicht durch. Leider konnte ich zu dem Tier keine Beziehung aufbauen. Aber so ist das in der bildenden Kunst: gefällt – oder auch nicht. Der Verlag gibt keine Altersangabe vor. Ich würde das Bilderbuch bei 3-4 Jahre ansetzen: Kurze Texte, wenig Information.
Nele Brönner, lebt und arbeitet als Illustratorin, freie Künstlerin und Comic-Zeichnerin in Berlin. Sie studierte Visuelle Kommunikation an der UdK Berlin, der Politecnico di Milanound der Accademia di Brera. Ihre Arbeiten werden in Magazinen, Büchern und Zeitungen publiziert (taz, Le Monde diplomatique, Stadtaspekte).
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