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Metropolen der Antike von Jean-Claude Golvin - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing




Metropolen der Antike 

von Jean-Claude Golvin

Eine einzigartige Bilderreise durch 80 Metropolen der Antike


Das Herstellen eines Rekonstruktionsbildes ist ein langer Prozess, an dessen Beginn jeweils ein ausführlicher Dialog mit den Archäologen und Archäologinnen steht.

Split - Palast des Diokletian


Der französische Archäologe Jean-Claude Golvin ist weltweit der beste Zeichner für archäologische Rekonstruktionen. Wenn wir heute antike Bauwerke besuchen, finden wir oft nur ein paar Steine vor. Forum Romanum, hmm – ein paar Säulen – hätte ich damals nicht dieses Büchlein mit Folien bekommen – Foto von heute, Folie drauf, so in etwa hat es einmal ausgesehen – hätte ich mir weit aus weniger ausmalen können. Die Vorstellungskraft für diesen Ort ist nun perfekt. Berühmte Orte – wie mögen sie ausgesehen haben? Jean-Claude Golvin beschäftigt sich lange wissenschaftlich mit einem Ort, setzt sich mit Details auseinander, diskutiert mit Kollegen, bevor er sich ans Werk macht. Er arbeitet mit Aquarellfarben, die natürlichen Farben bieten Farbechtheit mit der Natur. Aber er ist auch Architekt, nicht Bauingenieur, denn die Bilder besitzen große Ästhetik. Man findet Bäume, hier ein paar Schiffe, dort kleine Menschen, Pferde, Fuhrwerke, Golvin haucht den Städten Leben ein. Zu jedem Bild gibt es geschichtliche Information, danach folgen tiefergehende Informationen. Das Buch beginnt mit Ur (Irak), der Hauptstadt der Sumerer, 2112-2004 v. Chr. Gleich geht es weiter nach Babylon, eine Betrachtung aus der Vogelperspektive. Übrigens, die Hängenden Gärten von Babylon haben mich enttäuscht, die hatte ich mir bomabstischer vorgestellt, ebenso den Turm zu Babel, das Zikkurat, das älteste Bauwerk aus Lehmziegeln, 2100 v. Chr.



Das Buch ist geografisch aufgeteilt, beginnt im vorderen Orient, geht weiter zu Ägypten, Griechenland, in die Türkei, nach Italien und Kroatien, Nordafrika, Spanien, Portugal, Frankreich und endet mit Schweiz und Deutschland am Limeskastell, Saalburg. Letzteres kann ich empfehlen, es lohnt sich, dort hinzufahren.

Leptis Magna (Lebda),Lyîbyen


Das sagenumwobene Delphi, Ostia, der Hafen von Rom, das Kapitel Rom umfasst eine Menge. Der Leuchtturms von Alexandria, Pi-Ramesse in Ägypten, Athen, Ephesos, Lambaesis in Algerien, Tarraco (Tarragona) und Bilbilis (Calatayud) in Spanien, Arausio (Orange) und Andesina (Grand) in Frankreich, Augusta Raurica (August) in der Schweiz, Colonia (Köln) in Deutschland und vieles mehr ist zu finden. In der Vogelsperspektive lässt sich schön der Stadtaufbau sehen. Die Römer bauten perfekt, Quadratische Planquadrate, nur das kleine Lutetia war eher etwas sternförmig angelegt, das gallische Volk der Parisii lebte hier. »Das rechtwinklige Straßennetz teilte das Stadtgebiet in Insulae und schuf damit öffentliche Räume und Quartiere.« In anderen Bildern geht Jean-Claude Golvin in die Detailsicht, er zeigt uns Gebäude, herausgezogen aus dem Gesamtbild. Es ist ein wirklich interessanter Bildband. Wer sich für Geschichte interessiert, dem wird das Buch Spaß bereiten. Eins dieser Bücher, die man sich immer wieder gern ansieht – zur Hand nimmt, bevor man diese Stätten besichtigen möchte.

Jean-Claude Golvin, Architekt, Archäologe und ehemaliger Direktor am renommierten Centre
national de la recherche scientifique zählt zu den besten Zeichnern antiker Stadtansichten. Alle seine Zeichnungen basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

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