Direkt zum Hauptbereich

Regenland + Trockenland von Michael Engle, Jan Birck und Joëlle Tourlonias - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Regenland + Trockenland 

von Michael Engle, Jan Birck und Joëlle Tourlonias

Ein Wendebuch


Bei diesem Buch beginne ich mit der Grafik, die ich für ausgesprochen gut gelungen halte, von der Farbauswahl, der Atmosphäre und dem zeichnerischen Ausdruck. Die Idee von einem Wendebuch hat mir auch sehr gut gefallen. Sicher soll dieses Bilderbuch ein Beitrag zur Klimaveränderung sein. Inhaltlich kann ich mit diesem Bilderbuch allerdings weniger etwas anfangen. Apokalypse für Kinder?



Lamar sitzt allein in einem Haus, überall regnet es durch das Dach. Das Kind in gelber Öljacke wirkt recht nordeuropäisch. Seit Tagen, seit Wochen, regnet es. Es stellen sich sofort Fragen: Warum sitzt ein Junge allein mit einem Huhn im Haus? Wo ist seine Familie? Wo sind die Nachbarn? Und warum ist das Dach so dermaßen undicht? –  Und weil es soviel regnet, entschließen sich Junge und Huhn, das Haus zu verlassen, mit dem Ruderboot. Nun rudern sie durch eine Welt, die größtenteils unter Wasser steht. Ist Lamar der letzte Mensch?, so fragt man sich? Er will das Meer finden, weil er dort die Sonne vermutet. Zwischendurch hört es immer wieder auf zu regnen, und Lamar geht an Land. Jedoch befindet sich über Lamar ständig eine Regenwolke – etwas merkwürdig. Ist es die Traurigkeit, weil er einsam ist? Sie kommen an einen Wasserfall, in Gebiete, die Mammutbäume und Regenwaldpflanzen beherbergen, ein Krokodil ist zu sehen. Schönes Wetter, nur über Lamar regnet es, und er rudert weiter. Nun wird es immer trockener, nur über Lamar regnet es: Junge und Huhn befahren einen Fluss durch trockenes Gebiet, Kamele sind zu sehen – aber nie ein Mensch. Nun befinden sie sich in der Wüste, kein Regen mehr in Sicht, es ist ziemlich heiß. Der Junge legt sich schlafen. Drehen wir das Buch um und beginnen von der anderen Seite von vorn. Hier lebt das farbige Mädchen Neneh in der Wüste mit ihrem Wüstenfuchs – schon wieder ein Kind, das völlig zusammen mit einem Tier allein lebt. In ihrem Land hat es lange nicht geregnet, es gibt kein Wasser mehr. So läuft Neneh mit dem Fuchs tagelang, anscheinend wochenlang, durch die Wüste. Sie überlebt ohne Wasser! Wie soll man das erklären? Auch sie legt sich am Abend hin.




Ein sprach-und bildgewaltiges Wendebuch über das Klima, über Fliehen und Ankommen, Ziele und Durchhalten, über Pläne und Visionen, über Freundschaft und den Glauben an sich selbst.

Wieder sind wir in der Mitte vom Buch angekommen. Beide Kinder liegen nur ein paar Meter auseinander. Am nächsten Morgen wachen beide vom Regen auf. Klar, über Lamar regnet es wieder. Natürlich brauchen wir ein Zusammenspiel aus Sonne und Regen; fehlt eins von beiden, können Lebewesen nicht existieren. Aber wird das Kindern aus diesem Buch klar? Wo sind die Hintergründe zur Klimaveränderung? Kein Wort darüber oder dass sich die Welt verändert hat. Flucht, Durchhaltevermögen, Visionen und Freundschaft? Auch das ist mich zu oberflächlich. Freundschaft mit dem jeweiligen Tier, das in diesem Fall den Zauderer darstellt, immer rät, doch umzukehren … das Kind, das es vorwärtstreibt. Auch das Thema Flucht wird nicht ernsthaft thematisiert. Der eine sucht die Sonne, die andere Wasser – aber es gibt nicht den Plan, für immer sein Haus zu verlassen. Und Visionen? Genau die habe ich gar nicht gefunden. Und wo bitte schön ist die Wortgewalt? Wie gesagt, grafisch hatte mich das Buch sehr angesprochen. Inhaltlich lässt mich die Geschichte ratlos zurück. Die Altersangabe lautet 6-12 Jahre, auch damit bin ich nicht einverstanden, ich empfehle ab 5 Jahre, aber nur bis 8 Jahre. Darüber hinaus interessieren sich Kinder nur noch für Sachbilderbücher, bzw. Grafik-Novels. Für das sogenannte Lesealter ist das Bilderbuch im Textvolumen zu klein, ebenfalls der Handlungsrahmen.

Michael Engler, geb.1961 in Niedersachsen, studierte Visuelle Kommunikation, arbeitete als Szenarist und Illustrator und als Artdirector in der Werbung. Heute ist er Bestsellerautor von Bilder- und Kinderbüchern und Theaterstücken. Seit 2014 arbeitet er mit Joëlle Tourlonias zusammen.
Jan Birck, geb. 1963 in München, ist Trickfilmkünstler, Cartoonist und sehr erfolgreicher Illustrator. Er lebt in München und hat zahlreiche Bestseller illustriert bzw. geschrieben, u.a. »Die wilden Fußballkerle«, »Bestimmt wird alles gut«, »Flätscher« und »Geheimagent Morris«.
Joëlle Tourlonias, geb. 1985 in Hanau, studierte Visuelle Kommunikation (Schwerpunkt Illustration und Malerei) an der Bauhaus-Universität in Weimar. Sie ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen Deutschlands und lebt in der Pampa in der Nähe von Frankfurt am Main.


Michael Engle, Jan Birck und Joëlle Tourlonias
Regenland + Trockenland
Wende-Bilderbuch
360 Grad Verlag, 2019
Altersangabe: 6-12 Jahre
Gebundene Ausgabe: 72 Seiten (stimmt – im Handel sind 32 Seiten angegeben, das ist falsch)

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Dieses witzig-gruslige Jugendbuch, bzw., schlicht Comic, nimmt eine über 100 Jahre alten Geschichte von John Kendrick Bangs auf. Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelini interpretiert die Story neu mit wundervollen Wasserbildern. Ein wundervoller Comic für Jugendliche, die nicht sehr lesebegeistert sind. Zur Rezension:    Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

  Ein herrlich spaßiger, spannender Kinderkrimi! Mit Papa und seiner neuen Flamme in die Berge zum Wandern oder zu Oma Lore. Keine Frage! Bei der fetzigen Lore ist es immer lustig. Jetzt sitzt Pia aber seit über einer Stunde auf dem Bahnhof, ohne dass Oma sie abgeholt hat. Sehr seltsam. Omas Haus ist nicht weit entfernt; und so macht sich Pia mit ihrem Rollkoffer auf den Weg. Niemand öffnet die Tür! Durch ein offenes Fenster gelangt sie hinein. Doch Oma bleibt verschwunden. Die Detektivarbeit beginnt … Ein Pageturner, ein Kinderroman, eine waschechte Heldenreise, ein rasanter Abenteuerroman und nervenkitzelnder Kinderkrimi ab 8-10 Jahren. Unbedingt lesen!  Weiter zur Rezension:   Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues?

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues? Große Kunst wird gekauft und verkauft, sie kommt unter den Hammer und wird vorn und hinten versichert. Kleine Kunst ist kein Produkt. Sie ist eine Haltung. Eine Lebensform. Große Kunst wird von ausgebildeten Künstlern und Experten geschaffen. Kleine Kunst wird von Buchhaltern geschaffen, von Landwirten, Vollzeitmüttern am Cafétisch, auf dem Parkplatz in der Waschküche.  (Danny Gregory) Das Farbenbuch von Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider Als ich dieses Kraftpaket von Buch in den Händen hielt, war ich zunächst einmal platt. Wer dieses Sachbuch hat, benötigt keine Hanteln mehr! Aber Spaß beiseite, wer dieses Buch gelesen hat, hat auch keine Fragen mehr zum Thema Farben. Farben werden aus Pigmenten hergestellt, soweit bekannt. Die beiden Herausgeber sind der Kunstmaler Stefan Muntwyler und der Chemiker Juraj Lipscher, beide lebenslange Farbspezialisten, und dies ist ein Kompendium der P